Verhaltene Wahlbeteiligung Belgische Zeitung sieht Macron deutlich vorn
07.05.2017, 16:20 Uhr
Emmanuel Macron begibt sich "in die Hände des Schicksals".
(Foto: imago/IP3press)
Bringt Emmanuel Macron den als sicher geltenden Sieg bei der Stichwahl in Frankreich nach Hause? Oder gelingt Front-National-Chefin Marine Le Pen der Überraschungssieg? Eine Zeitung will nun mehr wissen.
In einer der wichtigsten Richtungswahlen seit Jahrzehnten in Europa entscheiden die Franzosen darüber, ob ihr Land künftig von einem linksliberalen Präsidenten Emmanuel Macron oder einer rechtsextremen Präsidentin Marine Le Pen regiert wird. Als klarer Favorit gilt der unabhängige Kandidat Macron, der in letzten Umfragen 24 Prozentpunkte vor seiner Konkurrentin vom Front National lag. Und die Umfragen scheinen sich zu bestätigen: Laut belgischer Zeitung "Le Soir" führt Macron mit mehr als 60 Prozent der Stimmen klar vor le Pen. Die Zeitung beruft sich am Nachmittag auf drei nicht benannte Umfragen.
Derweil fiel die Wahlbeteiligung bis zum Nachmittag geringer aus als vor fünf Jahren. Das Innenministerium in Paris gab die Wahlbeteiligung um 17.00 Uhr mit 65,3 Prozent an. Das waren etwa vier Punkte weniger als bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen zu diesem Zeitpunkt. Die Wahlbeteiligung lag auch niedriger als bei den Präsidentschafts-Stichwahlen der Jahre 2002, 2007 und 2012 um diese Uhrzeit. In der Regel nimmt bei Präsidentschaftswahlen in Frankreich die Beteiligung zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang zu. Meinungsforschern zufolge könnte ein Viertel der Wähler den Urnen fernbleiben, vor allem Anhänger der Linken, die sich von beiden Kandidaten nicht vertreten fühlen.
Macron gab seine Stimme am Vormittag in Le Touquet ab. "Wir haben gewählt, das ist erledigt, nun begebe ich mich in die Hände des Schicksals", sagte er beim Verlassen des Wahllokals. "Ansonsten appelliere ich an unsere Mitbürger, wählen zu gehen und diese wichtige Bürgerspflicht zu erfüllen, für die so viele Menschen kämpfen mussten."
Le Pen gab ihre Stimme in Henin-Beaumont ab, das ebenso wie Le Touquet im nordfranzösischen Departement Pas de Calais am Ärmelkanal liegt. Die 48-Jährige lächelte und gönnte sich ein kurzes Bad in der Menge, ehe sie ins Auto stieg. Fragen der Journalisten ließ sie unbeantwortet.
Volksparteien bleiben auf der Strecke
Mehr als 50.000 Polizisten und Gendarmen schützen den Urnengang unterstützt von 7000 Soldaten. In Frankreich gilt nach einer Serie schwerer Anschläge mitüber 230 Toten noch immer der Ausnahmezustand. Am Mittag wurde der Platz vor dem Louvre, wo am Abend Macrons Wahlparty stattfinden soll, wegen einer verdächtigen Tasche vorübergehend geräumt.
Die Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein: Le Pen will Frankreich aus der EU führen und strebt ein Referendum über einen Euro-Austritt an. Der 39-jährige Ex-Wirtschaftsminister Macron mit seiner Bewegung En Marche (Vorwärts) will dagegen die europäische Integration vertiefen und die deutsch-französische Achse stärken.
Dass es kein Kandidat der großen Volksparteien in die Endrunde schaffte, zeigt, wie unzufrieden die Wähler mit deren Arbeit sind. Le Pen wiederum dürfte selbst bei einer Niederlage etwa doppelt so viele Stimmen einfahren wie 2002, als ihr Vater und Front-National-Gründer Jean-Marie le Pen es in die Stichwahl schaffte.
Verunsichert Macron-Leak die Wähler?
Die Wahl gilt als entscheidend für die Zukunft der Europäischen Union, deren Herz Deutschland und Frankreich bilden. Eine EU-feindliche Le Pen als französische Präsidentin dürfte das Ende der EU in ihrer jetzigen Form bedeuten, zumal die Gemeinschaft bereits durch den anstehenden Ausstieg der Briten geschwächt ist. Ein Sieg Macrons wiederum würde als Zeichen gesehen, dass der Vormarsch der Rechtspopulisten nach dem Erfolg von Donald Trump in der US-Präsidentenwahl nicht ungebrochen weitergeht.
Fährt Macron tatsächlich den Sieg ein, muss er sich auf eine harte Amtszeit einstellen. Fast 60 Prozent der Bürger, die für ihn stimmen wollen, tun dies nicht aus Zustimmung für das Programm des früheren Investmentbankers, sondern weil sie Le Pen verhindern wollen. "Ich stimme eigentlich mit keinem der beiden Kandidaten wirklich überein", sagte die Psychotherapeutin Denise Dulliand, die in Annecy wählte. "Aber ich wollte meine Stimme abgeben, um sagen zu können, dass ich dabei war - obwohl ich nicht zufrieden damit bin, was in unserem Land geschieht, und ich mir weniger Dummheit, weniger Geld und mehr Solidarität wünschen würde."
Das Ringen zwischen den etablierten Parteien und radikaleren Strömungen in Frankreich wird sich bis in die Parlamentswahlen im Juni hineinziehen. Dabei wird das neue Staatsoberhaupt versuchen, eine eigene Mehrheit zu erlangen. Eine Umfrage in dieser Woche deutete an, dass Macron dies gelingen könnte.
Für Unruhe sorgte unmittelbar vor der Wahl die Nachricht über einen massiven Hackerangriff auf Macrons Bewegung. Die Angreifer hätten gestohlene Emails, Dokumente und Daten zur Finanzierung der Kampagne direkt vor Wahlkampfschluss ins Netz gestellt, kritisierte das Team des Kandidaten.
Quelle: ntv.de, jog/rts