Politik

Politfluencer im CheckSöder gewinnt Instagram-Vergleich gegen Merz

25.12.2025, 06:38 Uhr MARIE-VON-DEN-BENKEN-N-TV-LIZENZFREIE-BILDER-01Eine Kolumne von Marie von den Benken
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Nur einer kann Deutschlands Insta-Kanzler sein. (Foto: picture alliance / photothek.de)

Vom Ich-Faktor zum Gammelfleisch-Selfie: 142-mal Merz bei Merz, 1164-mal Stars und Döner bei Söder. Eine Social-Media-Analyse aus dem Regierungsviertel: Wer ist Deutschlands Follower-Kanzler, wer inszeniert die beste Promi-Parade?

Vielleicht haben auch Sie schon mal von dieser innovativen Erfindung gehört: das Internet. Neben lustigen Katzenvideos, viel zu leichtem Zugang zu pornografischen Inhalten und Rund-um-die-Uhr-Shopping beherrschen vor allem die großen Social-Media-Plattformen unseren neuen Alltag in der Digitalwelt. Als ich 15 wurde, bekam ich mein erstes Handy. Ich musste es selbst bezahlen und nutzte es daher vornehmlich für etwa acht SMS im Monat. Die 640x480 Pixel-Kamera meines Motorola RAZR machte Bilder von mir, die aussahen, als hätte man aus 800 Meter Entfernung ein Polaroid-Foto von einem Stecknadelkopf gemacht. An Internet auf dem Handy war nicht zu denken. Aber es war golden und von Dolce & Gabbana co-gebranded und also dachte ich, ich bin jetzt Paris Hilton.

Inzwischen hat jeder Sechsjährige ein iPhone mit mehr Technologie als die Raumfähre von Apollo 11. Damit können die Sechsjährigen von heute jederzeit auf alles zugreifen, was sie interessiert. Neben halbautobiografischen Doku-Aufnahmen aus Beischlaf-Szenarien sind das vor allem Instagram und Tiktok. Früher gab es noch Facebook. Ältere erinnern sich womöglich. Facebook wird heute allerdings eigentlich nur noch benötigt, um die Geburtstage der eigenen Eltern nicht zu vergessen.

Von Katzenvideos zur Kanzlerfrage

Dieses Internet jedenfalls hat mit seinen Social-Media-Möglichkeiten neue Berufsfelder und ganz neue Stars geschaffen. Internationale Celebritys wie Kylie Jenner oder Kim Kardashian würde es ohne Instagram nicht geben. Selbst Superstars mit Talent, wie etwa Cristiano Ronaldo (knapp 700 Millionen Follower) oder Taylor Swift (knapp 290 Millionen Follower) hätten einige hundert Millionen Euro weniger auf ihren Konten.

Dieser neuen Dynamik muss sich mittlerweile jeder unterwerfen. Firmen, Künstler, Institutionen - und auch Politiker. Schon nach der Bundestagswahl 2021 schrieb der ehemalige "Stern"-Chefredakteur Philipp Jessen, dass die SPD überraschend stärkste Partei werden konnte, hätte vor allem daran gelegen, dass sie das Social-Media-Game am besten verstanden habe. Zum Jahresende habe ich mir daher vorgenommen, mal einen genaueren Blick auf die Instagram-Accounts der Cristiano Ronaldos und Taylor Swifts der Bundespolitik zu werfen. Und da gibt es Überraschendes zu entdecken!

Friedrich Merz: 143 Postings seit 23. Februar 2025 (338.000 Follower)

Ehre, wem Ehre gebührt. Selbstverständlich beginne ich meine Instagram-Review mit dem ranghöchsten deutschen Politiker, jedenfalls was die tagespolitische Relevanz angeht: Friedrich Merz. Rein formal gibt es mit Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident eine hierarchische Ebene über dem Bundeskanzler. Dessen Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Bundesregierung sind aber so einschneidend wie der Einfluss von Dieter Bohlen auf das Dating-Verhalten von Kendall Jenner.

Merz postete auf seinem IG-Account @merzcdu seit dem 23. Februar, dem Tag der letzten Bundestagswahl, 143 Bilder. Interessant dabei: Auf nur einem einzigen davon ist er nicht selbst zu sehen. Das stammt vom 8. März. Am Weltfrauentag adressiert Merz einen flammenden Appell an die Frauen in der Ukraine, preist sie für ihre Stärke und bestärkt seine unumstößliche Absicht, ihnen weiter konsequent zur Seite zu stehen. Auf dem Bild ist eine ältere Ukrainerin zu sehen, die sich einsam ihren Weg durch städtische Ruinen bahnt. Unter dem Posting finden sich die handelsüblichen Patriotismus-Ausfälle anonymer Tastaturhelden auf Social-Media-Kommentarspalten-Tournee, die Merz dafür bepöbeln, am Weltfrauentag die Ukraine zu erwähnen. Dass er am Weltfrauentag auch über Frauen spricht, scheinen sie so gerade noch verschmerzen zu können. Allerdings sollten es doch bitte teutonische Blondinen sein, denen Merz' Aufmerksamkeit gilt.

Vom Kanzler zum Content-Creator

143 Bilder, 142-mal Friedrich Merz. Die "Ich"-Dichte auf dem Instagram-Kanal des Kanzlers ist höher als bei Markus Söder. Die gute Nachricht: Der Anteil von Bildern, auf denen Merz als Accessoire eine fleischbasierte Mahlzeit dabeihat, tendiert gegen null. Von Markus Söder existieren 100-mal mehr Bilder mit Dönern oder Schweinswürsten als mit seiner Frau. Das kann Profikanzler Merz nicht passieren. Interessant in diesem Zusammenhang außerdem: der Account-Name @merzcdu. Dem Neukanzler schien es damals, als er seinen Account anlegte, wichtig zu sein, als der von der CDU erkannt zu werden. Damals eventuell aus Angst, jüngere Wahlberechtigte wüssten nicht, wer er ist. Aber auch heute ist der Zusatz weiterhin wertvoll, um nicht versehentlich einer falschen Partei zugeordnet zu werden. Etwa den Linken (von Fans der AfD) oder der AfD (von Fans der Linken).

Ebenfalls nicht vergessen darf man bei der Analyse seines Instagram-Auftritts, dass er als Kanzler parallel auch noch den Account @bundeskanzler zu bespielen hat. Seinen 2,7 Millionen Followern dort präsentierte er sich seit der Übernahme von Olaf Scholz am 6. Mai bis zum 17. Dezember in sage und schreibe 348 Postings in 226 Tagen. Mehr als 1,5 Bilder pro Tag. Als Kanzler aller Deutschen ist die Ratio zwischen Bildern mit und ohne Merz als Hauptperson deutlich weniger personenzentriert. Auf dem Kanzleraccount widmet sich Friedrich Merz neben Friedrich Merz tatsächlich vielfältigen anderen Themen, bei denen er auch in der Bildauswahl nicht im Zentrum steht: Frauenfußballnationalmannschaft, 9. November, Nahostkonflikt, Tag der Deutschen Einheit, Jom Kippur, Rosch Haschana, Leichtathletik-WM in Tokio, Basketball-EM, Ukrainischer Unabhängigkeitstag, THW, Charta der Heimatvertriebenen, Airdrops der Bundeswehr, Tour de France, Ahrtal-Jahrestag, Wohnungsbau-Turbo, Schengener Abkommen oder der neue Papst.

Die meisten themenidentischen Bilder in Folge widmet der Kanzler seinem überraschend wohlwollend kommentierten Besuch bei Donald Trump im Juni. Das ist nur konsequent. Wie jeder handelsübliche Influencer stellt natürlich auch Politfluencer Friedrich Merz seine Erfolge besonders hübsch aufbereitet ins Social-Media-Schaufenster. Warum sollte er auch die Termin-Buchungsmaske seines Zahnarztes, ein pittoreskes Foto des Stadtbildes von Brilon oder ein paar kleine Paschas auf seinem Instagram-Account zeigen? Stefan Raab zeigt ja auch keine Quoten-Diagramme seiner letzten RTL-Shows. Es gibt allerdings auch ein so genanntes Co-Creator-Posting mit Markus Söder. Auf dem ist, Überraschung, ein "Schweinebraten mit Knödel und Kraut" zu sehen. Naja, man kann nicht alles haben.

Markus Söder: 1164 Postings seit 23. Februar 2025 (787.000 Follower)

Der König von München ist gleichzeitig der König der Postings. Fast vier Bilder pro Tag veröffentlichte der passionierte Food-Blogger seit der Bundestagswahl im Februar. Ein echter Tausendsassa, der parallel zu seiner wichtigen Arbeit als Gammelfleisch-Testimonial nebenbei auch noch ein lauschiges Bundesland führt. Schätzt man den Personalaufwand für die notwendigen Freigaben, Bearbeitungen und Textvorschläge zu vier Bildern am Tag, muss man bei den gängigen Arbeitszeiten in einer Staatskanzlei davon ausgehen, dass mindestens drei Vollzeitstellen für den Instagram-Auftritt des Franz-Josef-Strauß-Fanclubvorsitzenden aus Nürnberg benötigt werden. Gegen diesen egozentrierten Personalaufwand war sogar das Beauty-Team von Annalena Baerbock während ihrer inzwischen von vielen erfolgreich verdrängten Zeit als Außenministerin ein Discounter-Schnäppchen.

Auf den sorgsam kuratierten Bildern sieht man - natürlich - vornehmlich Markus Söders Lieblingsmotiv: Markus Söder. Mit einigem Abstand folgen zwei weitere Säulen seiner Social-Media-Präsenz: Fleisch (insbesondere vom Schwein) und Prominente (insbesondere aus Bayern). Söders Affinität, hochverarbeitetes Industriefleisch als kulinarische Offenbarung zu inszenieren, ist bereits ausreichend per Peer-Review eingeordnet worden. Sein Hang zur D-Promi-Szene ist hingegen weniger präsent. Dabei entdeckt man auf seinen Instagram-Account mehr Fan-Selfies als bei einem durchschnittlichen Promi-Big-Brother-Kandidaten. Und da gilt man ja gemeinhin bereits als Star, wenn man mal beim "Bachelor" hinten links am Pool durchs Bild gelaufen ist.

Instagram, aber mit Schweinsbraten

Markus Söder jedenfalls sammelt fleißig VIP-Schnappschüsse. So sieht man ihn beispielsweise mit Florian Silbereisen, Manuel Neuer, Vicky Leandros, Hape Kerkeling, Kalle Rummenigge, Ralph Siegel, Leslie Mandoki, Fabian Köster, Maria Furtwängler, Veronica Ferres, Lothar Matthäus, Cathy Hummels, Roman Weidenfeller, Didi Hamann, Alexander Zverev, Thomas Müller, Uschi Glas, Jürgen Klopp, Pierce Brosnan, Bastian Schweinsteiger, Dieter Nuhr, Felix Magath, Miroslav Klose, Ralf Möller, Roberto Blanco, Patrick Lindner, Ina Müller, Felix Neureuther, Dirk Nowitzki, Günter Netzer, Louis Klamroth, Dunja Hayali, Markus Lanz oder Thomas Gottschalk.

Kurz dachte ich sogar, ich hätte die Hollywood-Stars Armin Müller-Stahl und James Belushi auf seinem Account entdeckt. Das war dann aber doch nur Söder selbst in seinen Karnevals-Kostümen als Otto vom Bismarck und Elvis Presley. So oder so, unter dem Strich bleibt festzustellen: Würde man aus dem Instagram-Account von Markus Söder alle Bilder mit Prominenten und essbaren Accessoires entfernen, bliebe im Prinzip nur noch eine Sammlung von Reden über die Grünen ("alle doof") und Bayern ("alles super"), sowie den Themen Verbrenner-Aus Verhindern und München braucht Olympia.

Den direkten Instagram-Vergleich mit Friedrich Merz jedoch gewinnt Söder klar. Er setzt nicht nur konsequent auf den Promifaktor, sondern hat mit fast 790.000 auch mehr als doppelt so viele Follower als sein Unionskollege. Darüber hinaus ist er auch noch deutlich aktiver. Ob dem international anerkannten Bierzelt-Barden irgendwer vom Koalitionspartner das Social-Media-Wasser reichen kann, damit befasse ich mich dann in der kommenden Woche. Bis dann!

Quelle: ntv.de

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