Politik

Feurige Rede zur Lage der Nation Biden attackiert Trump - und macht Putin ein Versprechen

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Seine Rede zur Lage der Nation im Präsidentschaftswahljahr 2024 nutzt Joe Biden zum Frontalangriff auf Donald Trump. Die Republikaner verspottet er. Sein Alter muss für Scherze herhalten.

Den Kampf hat er angenommen. US-Präsident Joe Biden machte aus seiner dritten Rede zur Lage der Nation eine mit eigenen Erfolgen garnierte, aggressive Wahlkampfrede. Der 81-Jährige zeigte sich gegenüber den Republikanern bissig und wich mehrfach vom Manuskript ab, um sich mit ihnen anzulegen. Sein Widersacher war zwar nicht anwesend, aber omnipräsent: Donald Trump. Biden sprach über die Ukraine und Russland, den Israel-Krieg, das Abtreibungsrecht, die Wirtschaftslage, Einwanderung - und machte Witze über sein eigenes Alter.

Bidens Auftritt läutet einen achtmonatigen Präsidentschaftswahlkampf ein. Seine Position der Stärke, mit der er vor einem Jahr seine Rede zur Lage der Nation hielt, ist Vergangenheit. Die Umfragewerte sind schlecht, seine Wählerkoalition zweifelt an ihm, und schon wieder wird er sich mit Trump auseinandersetzen müssen. Der hat die Republikaner unter anderem dazu gebracht, neue Ukraine-Hilfen zu blockieren. Biden musste bei dieser Rede zeigen, dass er den Biss hat, trotz seines Alters neben den Amtsgeschäften einen weiteren, langen Wahlkampf zu führen. Er verhaspelte sich und nuschelte mehrfach, fing sich aber meist und zeigte sich zugleich schlagfertig.

Voll besetzt: Der Kongress in Washington.

Voll besetzt: Der Kongress in Washington.

(Foto: REUTERS)

Unter US-Wählern schwindet die Zustimmung für die Ukraine-Hilfen. Trotzdem verspricht Biden zum Einstieg mit viel Pathos die volle Unterstützung im Verteidigungskrieg gegen Russland. In großen historischen Linien betont er die Bedeutung des Moments. "Frieden und Demokratie sind zuhause und in Übersee gleichzeitig in Gefahr." In Europa marschiere der russische Präsident Wladimir Putin. Im eigenen Land am 6. Januar 2021 hätten Aufständische beim Sturm aufs Kapitol die Demokratie wie seit dem US-amerikanischen Bürgerkrieg nicht mehr bedroht.

"Mein Vorgänger", wie er Trump ausschließlich nennen wird, habe in seiner Amtszeit zu Putin gesagt: Mach, was Du willst ("do whatever the hell you want"), sich damit dem Russen gebeugt. "Das ist gefährlich, ungeheuerlich und inakzeptabel", poltert Biden. "Meine Nachricht an Putin ist: Wir werden uns nicht beugen. Ich werde mich nicht beugen." Für diese Ankündigungen gibt es ausufernden Applaus von Seite der Demokraten. Fakt ist: Trump und die Republikaner blockieren weitere Hilfen an Kiew, einer der Gründe, weshalb die Ukraine unter Munitionsmangel leidet. Biden mahnt im Hinblick auf den 6. Januar 2021: Die Republikaner versuchten, den Umsturzversuch zu verklären. "Mein Vorgänger und manche hier wollen die Wahrheit begraben", klagt Biden an. "Es ist Zeit, die Lügen zu begraben."

Gewerkschaftsfaust zum Gruß

Danach rattert Biden sichtlich stolz Wirtschaftsdaten herunter. In drei Jahren seien fast 15 Millionen Arbeitsplätzen entstanden, ein Rekord; die Erwerbslosigkeit sei so niedrig wie seit einem halben Jahrhundert nicht, die Wohlstandsunterschiede zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen die geringsten seit 20 Jahren. Zudem hätten mehr Menschen eine Krankenversicherung als je zuvor. "Es braucht Zeit, aber die Amerikaner beginnen, es zu spüren", sagt er fast schon zerknirscht.

So gut die Zahlen auch aussehen: In Umfragen befürworten nur etwa ein Drittel der US-Amerikaner seine Wirtschaftspolitik. Die Kaufkraft ist in den vergangenen Jahren gesunken. Die Menschen trauen dem derzeitigen Aufschwung bisher nicht richtig. Bidens Regierung und die Notenbank Federal Reserve Bank ringen noch immer mit der Inflation. Die Zinsen der Fed haben die Inflation zwar wieder auf unter vier Prozent gedrückt. Doch Immobilienkredite sind weiterhin teuer, was die Mietpreise treibt.

Doch Biden betont die positiven Folgen seiner Wirtschaftspolitik, die 650 Milliarden an Investitionen angelockt habe, sowie des Infrastrukturpakets, das 46.000 Bauprojekte ermögliche. "Es haben welche dagegen gestimmt, aber sie bejubeln das Geld, was hereinkommt", grinst er verschmitzt in Richtung der Republikaner. "Wenn ihr es nicht wollt, sagt mir einfach Bescheid!" Biden erzählt von einer Autofabrik, die er mithilfe der großen Autogewerkschaft United Auto Workers gerettet habe. Gewerkschaftschef Shawn Fain auf dem Zuschauerrang erhebt sich und seine Faust zum Gruß.

Ohnehin betont Biden durch seinen gesamten Auftritt hindurch, dass er für die Arbeiter kämpfe. Dass er gegen die Pharmakonzerne "endlich gewonnen" habe, weil die öffentliche Krankenversicherung für Ältere nun Insulin und andere Preise verhandeln dürfe; er die Mindeststeuer für Konzerne erhöhen und eine Reichensteuer wolle, weil er damit eine umfassendere Sozialpolitik finanzieren könne; und, und, und.

Biden greift an, provoziert und scherzt

Trump stellt er hingegen als Freund der Wohlhabenden und gierigen Unternehmen dar. Biden provoziert in Richtung Republikaner im Saal, schimpft über den Schuldenberg, den Trump aufgehäuft habe "wie kein Präsident in der Geschichte", wegen dessen zwei Billionen US-Dollar Steuererleichterungen, die hauptsächlich den Reichen ("the one percent") zugutegekommen seien. "Niemand sollte weniger Steuern zahlen als ein Lehrer, eine Krankenschwester oder ein Müllentsorger." Da steht sogar der linke Senator Bernie Sanders zum Applaus auf.

Biden stichelt weiter. Der Präsident berichtet von dem Finanzierungspaket zur Grenzsicherung, um die historisch hohe Zahl an Immigranten zu senken. Demokraten hatten es mit den Republikanern im Kongress verhandelt - was diese aber blockieren, weil Trump sie aus wahltaktischen Gründen telefonisch dazu anhalte. Da rufen Republikaner dazwischen. "Ach, ihr mögt das Gesetz nicht, von dem Konservative sagen, es sei ein gutes Gesetz?", fragt Biden spöttisch in ihre Richtung: "Das gibt es ja nicht, Wahnsinn!" Wieder attackiert er Trump. "Ich werde nicht wie mein Vorgänger sagen, dass Immigranten das Blut unseres Landes vergiften."

Zum Ende hin spricht Biden den Israel-Krieg an. Der Terrorangriff am 7. Oktober sei der schlimmste Tag für das jüdische Volk seit dem Holocaust gewesen. Auf palästinensischer Seite seien mehr als 30.000 Menschen gestorben, davon die meisten Zivilisten. Unschuldige müssten geschützt werden, sagt er. Er kündigt die temporäre Landungsbrücke für Hilfsgüter an und betont: "No boots on the ground" - keine US-amerikanischen Soldaten werden an Land gehen.

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Eines der größten Probleme in diesem Wahlkampf wird für Biden sein Alter sein. Sechs von zehn US-Amerikanern meinen, der Präsident sei für sein Amt mental nicht mehr auf der Höhe. Biden geht nun in die Offensive. "Ich mag nicht so aussehen, aber ich bin schon eine Weile dabei", scherzt Biden am Podium, und blickt auf seinen Werdegang bis heute zurück. Wenn man dann in sein Alter komme, sehe man die Dinge klar wie nie. "Du bist nur so alt wie Deine Ideen", meint er; Hass und Rache seien die ältesten. "Man kann Amerika nicht mit uralten Ideen führen." Eine klare Anspielung auf Trump. Biden sagt, er hingegen habe eine Vorstellung für die Zukunft, spielt unter anderem auf ein allgemeines Abtreibungsrecht an - und zeichnet eine US-amerikanische Version blühender Landschaften.

Biden hat die Wahlkampflinien gezogen: Von seiner Ukraine-Position rückt er nicht ab. Trump ist sein klarer Antagonist, der die Republikaner im Kongress kontrolliert. Entsprechend attackierte er seinen Vorgänger auf allen möglichen Fronten; sagte den Republikanern zudem den Kampf um die Stimmen der Arbeiter an. Biden zeigte sich insbesondere wegen der weiblichen Bevölkerung siegessicher: Die ließe sich ihre Rechte nicht wegnehmen und bilde die Hälfte der Wählerschaft. Sie und die andere Hälfte haben noch acht Monate, um sich zu entscheiden.

Quelle: ntv.de

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