Pathos an der Steilküste Bidens Zwölf-Minuten-Wahlkampf in Frankreich
07.06.2024, 19:59 Uhr Artikel anhören
In Frankreich richtete sich Biden in erster Linie an das Publikum in den USA.
(Foto: REUTERS)
US-Präsident Biden nutzt die Feierlichkeiten zum D-Day für eine Botschaft an die Bürger daheim. Damals wie heute gehe es darum, die Demokratie im Bündnis mit Partnern zu verteidigen. Es gehe um nichts weniger als die Seele der Nation.
US-Präsident Joe Biden hat vor geschichtsträchtiger Kulisse an der nordfranzösischen Küste zum Kampf gegen Aggressoren und hasserfüllte Ideologie in der Heimat und im Ausland aufgerufen. Die Soldaten, die vor 80 Jahren unter dem Einsatz ihres Lebens die Strände der Normandie gestürmt hätten, erwarteten, dass die Freiheit auch heute geschützt werde, sagte Biden bei Pointe du Hoc in der Normandie an seine Landsleute daheim gerichtet. "Sie bitten uns, unsere Aufgabe zu erfüllen, (...) die Demokratie zu verteidigen, der Aggression im Ausland und im eigenen Land entgegenzutreten, Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir selbst."
Pointe du Hoc ist ein Küstenabschnitt in der Normandie, an dem vor 80 Jahren - am 6. Juni 1944 - alliierte Truppen gelandet waren. Der sogenannte D-Day markierte den Auftakt der Befreiung Frankreichs und Westeuropas von der Nazi-Herrschaft. Zur Streitmacht der Alliierten gehörten damals vor allem US-Amerikaner, Briten, Kanadier, Polen und Franzosen.
Der Ort diente Biden nun als filmreife Kulisse: ein Pult im Wind, direkt an der Steilküste, nur wenige Meter hinter Biden fielen die Klippen steil ins Meer hinab, etwa 30 Meter tief. Biden scherzte, er bekomme Ärger mit dem Secret Service, wenn er näher an den Rand trete, um hinabzublicken. Überreste einer militärischen Festung und Bombenkrater erinnern an die dramatischen Szenen, die sich dort vor 80 Jahren abspielten.
"Gewöhnliche Amerikaner können außergewöhnlichsten Dinge tun"
Die US-Soldaten bei Pointe du Hoc hätten damals ihre Mission und ihr Land über sich selbst gestellt, mahnte Biden. "Glaubt irgendjemand, dass sie heute von jedem Amerikaner etwas anderes erwarten würden?" Die Männer seien aus allen Teilen der USA gekommen, vom Land, aus den Städten. "Die Geschichte hat gezeigt, dass gewöhnliche Amerikaner die außergewöhnlichsten Dinge tun können." Die Rede, die für Biden eine lange Anreise aus dem fast 300 Kilometer entfernten Paris erforderte, fiel am Ende vergleichsweise kurz aus und dauerte nicht mal zwölf Minuten.
Biden hatte bereits am Vortag eine Gedenkfeier zum D-Day auf einem nahegelegenen US-Militärfriedhof dazu genutzt, zur Verteidigung der Demokratie aufzurufen. Auch in seiner Rede bei Pointe du Hoc verwies der US-Präsident auf den Krieg von Kremlchef Wladimir Putin gegen das Nachbarland - und beschwor internationale Allianzen gegen Autokratie.
Mit Blick auf die D-Day-Kämpfer von Pointe du Hoc sagte Biden: "Zweifelt irgendjemand daran, dass sie wollen, dass Amerika heute hier in Europa gegen Putins Aggression auftritt?" Die Männer damals hätten die Strände der Normandie an der Seite ihrer Verbündeten gestürmt. Sie hätten sicher auch heute keinen "Alleingang Amerikas" für gut befunden. Bei seiner Rede konzentrierte sich Biden nun vor allem auf das Publikum daheim und redete den Amerikanern ins Gewissen. Es sei die Aufgabe der heutigen Generation, sicherzustellen, dass die Demokratie fortbestehe und die Seele der Nation weiterlebe.
Seine Rede bei Pointe du Hoc war nicht Teil der offiziellen D-Day-Feierlichkeiten, sondern ein eigener Akzent des Demokraten, der bei der Präsidentenwahl im November für eine zweite Amtszeit antreten will. Auch wenn es sich um eine offizielle Ansprache des Präsidenten auf einer Auslandsreise handelt, lässt sich Bidens Appell schwer von seinem Wahlkampf trennen.
Der Demokrat hat den Kampf für Freiheit und Demokratie ins Zentrum seiner Wiederwahlkampagne gestellt - und sein Team versucht, wo immer es geht, in dieser Hinsicht einen dramatischen Kontrast zu Bidens Vorgänger, Donald Trump, herauszuarbeiten, der den Amtsinhaber bei der Wahl herausfordern will. Parallel dazu veröffentlichte sein Team auf X ein Video, in dem Bilder von den Gräbern in Frankreich und den Feierlichkeiten mit abschätzigen Aussagen Trumps über die Opfer und Militärangehörige gegenüberstellt.
Biden ist für einen mehrtägigen Besuch in Frankreich. Nach seinen Stationen in der Normandie wird er am morgigen Samstag in Paris vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron als Staatsgast empfangen.
Quelle: ntv.de