"Von außen aufzwingen" Borrell will Palästinenserstaat auch gegen Willen Israels
19.01.2024, 22:25 Uhr Artikel anhören
Israelische Soldaten am Rande eines Gebets von Palästinensern in Jerusalem.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Wie kann ein friedliches Neben- und Miteinander von Palästinensern und Israelis gelingen? Seit Jahrzehnten wird das inmitten von Repressionen, Terror und Krieg erörtert. Der EU-Außenbeauftragte sieht die Situation so eingefahren, dass er eine Entscheidung erzwingen will.
Im Nahost-Konflikt sollte die internationale Gemeinschaft nach Worten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell die Zweistaatenlösung notfalls auch gegen den Willen Israels "von außen aufzwingen". Sonst werde sich "die Spirale des Hasses Generation um Generation" weiterdrehen, sagte Borrell bei einer Rede in der Universität von Valladolid in Spanien, wo ihm die Ehrendoktorwürde verliehen wurde.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte jedoch erst am Vortag erneut einen palästinensischen Staat neben Israel nach Ende des Gaza-Krieges abgelehnt. Mit Blick auf eine Zweistaatenlösung, die auch die USA fordern, sagte Netanjahu: "Israels Ministerpräsident muss imstande sein, auch 'nein' zu sagen, wenn es nötig ist, selbst zu unseren besten Freunden."
Borrell betonte jedoch, Israelis und Palästinenser seien nicht mehr zu einem Kompromiss fähig. "Die Beteiligten sind zu sehr gegeneinander aufgebracht, um aus eigener Kraft noch zu einer Verständigung zu kommen", betonte der EU-Chefdiplomat, der bei der Rede in der traditionellen Tracht der Universität auftrat. Er rief die "arabische Welt, Europa, die USA und die gesamten Vereinten Nationen" auf, die Bildung eines Palästinenserstaates auch gegen den Widerstand Israels anzuerkennen.
Bundesregierung sieht keinen Widerspruch
Auch die Bundesregierung äußerte sich jüngst in der Sache und sieht in den von Israel erhobenen Sicherheitsansprüchen kein Hindernis für die Gründung eines palästinensischen Staates. "Die Sicherheit Israels ist mit einem israelischen und palästinensischen Staat vereinbar und kein Argument gegen einen palästinensischen Staat", sagte Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner.
Sowohl die Bundesregierung, als auch die Europäische Union und die USA würden die Zweistaatenlösung "für die richtige Perspektive für eine friedliche Zukunft" halten, sagte Büchner weiter. Die Zweistaatenlösung sieht einen unabhängigen, mit Israel koexistierenden Palästinenserstaat vor.
Dies sei als "konkrete Perspektive für die Palästinenser sehr wichtig", sagte Büchner. Israels Sicherheit könne zudem "nachhaltig und umfassend" im Rahmen einer Zweistaatenlösung abgesichert werden. Die Bundesregierung habe Israel immer deutlich gemacht, dass eine verhandelte Zweistaatenlösung aus Sicht Berlins die einzige Möglichkeit bleibe, um ein Leben in Frieden und Sicherheit für Palästinenser und Israelis zu ermöglichen.
Biden telefoniert mit Netanjahu
US-Präsident Joe Biden telefonierte unterdessen nach Angaben des Weißen Hauses mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und legte ihm dabei seine Vision von einer Zweistaatenlösung dar. In dem Gespräch am Freitag habe Biden seine Vorstellung eines dauerhaften Friedens und beständiger Sicherheit Israels in der Region erörtert, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Obwohl Netanjahu seine Bedenken geäußert habe, sei Biden noch immer der festen Überzeugung, dass eine Zweistaatenlösung der richtige Weg sei.
Borrell warf in seiner Rede an der Universität von Valladolid Israel dann noch vor, den Aufbau der islamistischen Hamas finanziert zu haben, um die gemäßigtere Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland zu schwächen und dadurch einen Palästinenserstaat zu verhindern. Israels Regierungschef hat diesen auch von einigen seiner Kritiker bereits erhobenen Vorwurf wiederholt zurückgewiesen.
Quelle: ntv.de, mpe/dpa/AFP