95 Prozent Zustimmung Briefwahl bestätigt Merz als CDU-Vorsitzenden
31.01.2022, 14:51 Uhr
Vor Merz liegt nun die große Aufgabe, die CDU nach dem Verlust des Kanzleramts nach 16 Jahren wieder aufzurichten.
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Nach drei Kandidaturen ist Friedrich Merz endlich am Ziel: Die CDU wählt ihn mit überwältigender Mehrheit per Brief zu ihrem Vorsitzenden. In seiner anschließenden Rede spricht er vom Selbstvertrauen in der Opposition. Auch den tödlichen Angriff auf zwei Polizisten in der Westpfalz thematisiert er.
Friedrich Merz ist nun auch offiziell neuer CDU-Vorsitzender. Der 66 Jahre alte Wirtschaftspolitiker erhielt in der Briefwahl nach CDU-Angaben vom Montag 95,33 Prozent der Stimmen. Diese schriftliche Abstimmung war aus rechtlichen Gründen nach dem Online-Parteitag am 22. Januar notwendig. Dort war Merz nach CDU-Rechnung auf 94,62 Prozent gekommen. Stimmberechtigt waren bei der Briefwahl die 1001 Delegierten des Online-Parteitages.
Bei diesem hatte die CDU als Konsequenz aus dem historisch schlechtesten Unionsergebnis von 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl im vergangenen September ihre komplette Führungsspitze neu gewählt. Merz war im Dezember in der ersten Mitgliederbefragung der CDU zum Parteivorsitz mit 62,1 Prozent zum Nachfolger Armin Laschets bestimmt worden, der als Kanzlerkandidat gescheitert war.
Vor Merz liegt nun die große Aufgabe, die CDU nach dem Verlust des Kanzleramts nach 16 Jahren wieder aufzurichten und neu aufzustellen. In seiner Parteitagsrede am Samstag vor einer Woche machte Merz gleich deutlich, was ihm wichtig ist: Die CDU müsse den Anspruch an sich selbst haben, "die Regierung von morgen sein zu können". Zugleich mahnte er einen fairen internen Umgang miteinander an.
Merz verlor Wahl 2020 gegen Laschet
Auch in seiner Dankesrede nach der Wahl klang Merz optimistisch. Zwar übernehme er die CDU "in einer schweren Zeit", doch die Partei habe ihr "Selbstvertrauen nicht verloren". Staatsbürgerliche Verantwortung trage sie auch in der Opposition, dies sieht Merz als Chance. Er verwies darauf, dass die Union außerdem in vielen Bundesländern Regierungsverantwortung trage.
An die Ministerpräsidenten seiner Partei gerichtet sagte Merz: "Wir werden von hier aus jede Unterstützung geben, die wir geben können. Aber die Wahlkämpfe müsst ihr bestreiten." Zu Beginn seiner Rede sprach Merz den Familien der zwei Polizisten seine Anteilnahme aus, die in der Westpfalz von Unbekannten erschossen wurden. "Meine Freude heute ist beeinträchtigt und betrübt durch Nachrichten über Tod zweier junger Polizeibeamter", sagte er. "Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um den Familien herzliches Beileid und Mitgefühl auszudrücken."
Merz hatte sich insgesamt dreimal für das Amt des CDU-Vorsitzenden beworben. Dass ihn die CDU-Mitglieder und eigentlich auch die Gesamtbevölkerung am liebsten als Parteichef hätten, davon war Merz schon bei seinen vorherigen Vorsitzbewerbungen überzeugt. 2020 sprach er gar von einer Intrige des "CDU-Establishments" gegen ihn, obwohl er doch in Umfragen so weit vorn liege. Als Armin Laschet anschließend die Vorsitzwahl gewann, empfahl sich Merz unbeirrt - und erfolglos - als Bundeswirtschaftsminister.
Mit Merkel lag er im Clinch
Es sind Aktionen wie diese, die Kritiker in ihrem Bild von Merz bestärken: immer auf den eigenen Vorteil bedacht, nur den Sieg im Sinn, grenzenlos von sich überzeugt. Merz' Unterstützer sehen in ihm dagegen einen selbstbewussten Charakterkopf, der sich traut, auch mal anzuecken.
Das Spiel mit provokanten Äußerungen kennt der Sauerländer gut. So sorgte er 2020 mit der These für Aufsehen, viele Deutsche könnten sich in der Corona-Krise an ein "Leben ohne Arbeit" gewöhnen. Auch rückte er Homosexualität in die Nähe von Pädophilie.
In seiner langen politischen Karriere hat der Jurist den Umgang mit der Kontroverse umfassend gelernt. 1989 bis 1994 saß er im Europaparlament, danach im Bundestag. Ab 2000 war er Vorsitzender der Unionsfraktion, bis ihn die damalige CDU-Vorsitzende Merkel 2002 von dem Posten verdrängte. Fortan lagen beide im Clinch; 2009 zog sich der Sauerländer ernüchtert aus der aktiven Politik zurück.
Quelle: ntv.de, lve/dpa/AFP