Scharfer Regimekritiker in DDR Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist tot
10.09.2024, 13:06 Uhr Artikel anhören
Nicht nur mit seinem Aufruf zur Gewaltlosigkeit bei der Massendemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz schrieb Friedrich Schorlemmer Geschichte.
(Foto: IMAGO/Müller-Stauffenberg)
Mit seiner Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" wird der Theologe und ostdeutsche Bürgerrechtler Schorlemmer 1983 international bekannt. Er zählt zu den prominentesten Symbolfiguren der friedlichen Revolution. Im Alter von 80 Jahren ist er nun verstorben.
Er gehörte zu den schärfsten Regimekritikern in der DDR. Im Herbst 1989 war er eine der prominentesten Symbolfiguren der friedlichen Revolution. Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer ist am Sonntag im Alter von 80 Jahren gestorben, wie der ehemalige sachsen-anhaltische Kultusminister Stephan Dorgerloh sagte, der früher eng mit Schorlemmer zusammengearbeitet hat.
Mit seinem Aufruf zur Gewaltlosigkeit bei der Massendemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz schrieb der Bürgerrechtler Geschichte. So wie schon einmal in der DDR. Am 24. September 1983 schmiedete ein Wittenberger Schmied ein Schwert zu einer Pflugschar um. Damals war Schorlemmer Schloßkirchen-Prediger und Mitorganisator der mutigen Aktion. Der Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" wurde zum Leitmotiv der christlich geprägten DDR-Friedensbewegung.
Daran erinnerte jetzt auch wieder Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig. Mit dieser Schmiedeaktion in Wittenberg sei Schorlemmer international bekannt geworden, erklärte Dulig zum Tod des Theologen. "Ich verbinde mit ihm mehr als nur einen klugen Sozialdemokraten aus Wittenberg, sondern auch den Theologen, der aktiv die friedliche Revolution 1989 gestaltet hat. Schorlemmer war stets ein kluger Ratgeber - dessen nachdenkliche, kluge Inspirationen gerade in diesen politisch-aufwühlenden Zeiten uns allen fehlen werden."
Gysi: "Er ist absolut unkäuflich"
Schorlemmer wurde am 16. Mai 1944 in Wittenberge in Brandenburg geboren. In der DDR war er Repressalien ausgesetzt - durfte an der Schule kein Abitur machen und holte es an der Abendschule nach. Schließlich studierte er Theologie an der Universität in Halle. Mit friedlichen Protesten und gewaltlosem Widerstand, etwa beim Einmarsch der Sowjettruppen in die Tschechoslowakei, geriet er in das Visier der Staatssicherheit.
In der Zeit der friedlichen Revolution gehörte Schorlemmer zu den Mitbegründern des "Demokratischen Aufbruchs", trat 1990 in die SPD ein. Neben seiner Arbeit für die Evangelische Kirche engagierte er sich auch im Wittenberger Stadtrat. "Die Demokratie ist wie ein Garten, wenn man den nicht pflegt, der verwildert sehr schnell", sagte er einmal. Für seinen unermüdlichen Einsatz würdigte ihn die Stadt Wittenberg am 3. Oktober 2015 mit der Ehrenbürgerschaft. Der Linken-Politiker Gregor Gysi sagte bei dieser Gelegenheit über ihn: "Er ist absolut unkäuflich, unbequem, kritisch und lässt nie nach."
Auch im Ruhestand ließ der Friedenspreisträger und Autor zahlreicher Bücher nicht nach, seine Stimme für Demokratie und gegen Ausländerhass zu erheben. In Leipzig war er Mitinitiator der "Stiftung Friedliche Revolution". Der Theologe scheute sich auch nicht, den Mächtigen die Meinung zusagen: Bundespräsident Joachim Gauck etwa - der am Ende der DDR ebenfalls der Bürgerrechtsbewegung angehört hatte - kritisierte er öffentlich wegen dessen Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Im Rückblick sagte er einmal: "Mein Leben war in Vielem nicht leicht, aber es war reich."
Quelle: ntv.de, chl/dpa