"Politik kann unbarmherzig sein" Bundestag gedenkt Philipp Jenningers
18.01.2018, 16:03 Uhr
Der Bundestag nimmt Abschied von dem Ex-Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger.
(Foto: dpa)
Zum 50. Jahrestag der Pogromnacht löst der damalige Bundestagspräsident Jenninger einen Eklat aus. Das kostet ihn sein Amt. Bei einem Staatsakt würdigt Schäuble nun den Verstorbenen und sagt: Jenningers Rücktritt sei ein politisches Drama gewesen.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat den früheren Parlamentspräsidenten Philipp Jenninger als Wegbereiter von Reformen und strikten Gegner autoritärer Herrschaft gewürdigt. "Er betrachtete es als Ehre, für den demokratischen Rechtsstaat zu arbeiten", sagte Schäuble bei einem Staatsakt im Bundestag. Jenninger war zwei Wochen zuvor im Alter von 85 Jahren gestorben.
Von 1984 bis 1988 war er Parlamentspräsident. Jenninger trat vom Amt zurück, nachdem eine missverständlich vorgetragene Rede zum 50. Jahrestag der Pogromnacht Proteste ausgelöst hatte.
Jenninger kam als 37-Jähriger als direkt gewählter CDU-Abgeordneter des damaligen württembergischen Wahlkreises Crailsheim erstmals ins Parlament. Seine Popularität in der Heimat habe er am 11. Januar bei der Messe und Beisetzung in Ellwangen wieder spüren können, sagte Schäuble. Jenninger war unter dem damaligen Unionsfraktions-Chef Helmut Kohl Parlamentarischer Geschäftsführer. Als Vertrauter Kohls wurde er zu Beginn von dessen Kanzlerschaft Staatsminister im Kanzleramt. Mit viel Geschick habe er geholfen, das Machtzentrum um Kohl zu festigen, sagte Schäuble.
"Macht war für ihn kein Selbstzweck", sagte Schäuble weiter. Das Vertrauen in ihn als Bundestagspräsident sei dank seiner überparteilichen Amtsführung weiter gewachsen. Arbeitsbedingungen und Effizienz des Bundestags seien unter Jenninger verbessert, die Rolle des Souveräns gestärkt worden. Der Krise des Vertrauens in die Politik habe er schon damals entgegenwirken wollen.
In seiner Rede zum Jahrestag der Pogromnacht am 10. November 1988 habe Jenninger mit der Frage gerungen, wie es zu den Verbrechen der Nationalsozialisten kommen konnte. "Vielleicht wollte er zu diesem Anlass zu viel", meinte Schäuble. Manche hätten ihn nicht verstehen wollen. Sein Rücktritt sei ein politisches Drama gewesen - und ein Lehrstück, "wie unbarmherzig die politische Welt sein kann". Walter Kardinal Kasper sagte im Anschluss würdigend: "Die Rede war eine Zumutung, sie hatte den Mut, Lebenslügen zu zerstören." Inhaltlich sei es eine große Rede gewesen.
Jenninger hatte nicht deutlich genug zwischen Zitaten aus der Zeit des Nationalsozialismus und eigenen Worten getrennt und die Jahre von 1933 bis 1938 als "Faszinosum" bezeichnet. Schäuble sagte, sein politisches Leben, immer respektiert und integer, sei durch das Missverständnis einer Stunde verletzt worden. Später wurde der Katholik noch Botschafter in Österreich und beim Heiligen Stuhl in Rom.
Quelle: ntv.de, kpi/dpa