Politik

"Lagerkultur, die Angst macht" CDU-Politiker fordert Aufnahme von Kindern

Zehntausende Flüchtlinge harren - zum Teil seit Jahren -  auf den griechischen Inseln aus.

Zehntausende Flüchtlinge harren - zum Teil seit Jahren - auf den griechischen Inseln aus.

(Foto: REUTERS)

Die Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sind katastrophal. Mehrere Oberbürgermeister fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Der CDU-Politiker Patzelt spricht bei ntv von einer "humanistischen Pflicht".

Der CDU-Politiker und ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder, Martin Patzelt, fordert, dass die Europäische Union und Deutschland den Kindern in den griechischen Flüchtlingslagern zu Hilfe kommen. "Wenn man das betrachtet, dann haben wir die humanistische und menschliche Pflicht, für diese Kinder und Jugendlichen zu sorgen", sagte Patzelt ntv. Viele Kinder in den Lagern hätten keine Eltern bei sich und lebten in einer "Lagerkultur, die Angst macht".

Derzeit fehlten noch die rechtlichen Möglichkeiten, um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. In diesem Zusammenhang forderte Patzelt, der 2017 sein Direktmandat im Bundestag gegen den AfD-Politiker Alexander Gauland verteidigte: "Die rechtlichen Grundlagen könnte man schaffen, aber das heißt, die Bundesregierung müsste im Einvernehmen mit einer Mehrzahl von Bundestagsabgeordneten sagen: Wir machen die Grenzen für diese Personengruppe innerhalb Europas auf." Weiter sagte der CDU-Politiker hinsichtlich der Vorbildfunktion von Deutschland innerhalb der EU: "Wenn wir als Vorbild vorangehen, dann folgen andere nach."

Laut einer aktuellen RTL/ntv-Umfrage ist knapp die Hälfte (47 Prozent) der Deutschen bereit, Flüchtlinge von der griechisch-türkischen Grenze aufzunehmen. In diesem Zusammenhang sagte Patzelt, dass nun auch Taten aus der Bevölkerung folgen müssten. "Denn das Vermögen an Zeit und Geld ist bei vielen Deutschen vorhanden. Es bedürfte einer Entscheidung zu sagen: Jetzt tun wir, was wir tun können, und Zivilgesellschaft und Politik handeln gemeinsam."

Bürgermeister fordern sofortige Schritte

Ein überparteiliches Bündnis aus Oberbürgermeistern fordert inzwischen von der Bundesregierung sofortige Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Lagern. Zu den Unterzeichnern gehören die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg, Rottenburg und Frankfurt/Oder sowie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius von der SPD.

"Insbesondere für Kinder und Frauen sind die völlig überfüllten Lager, in denen es an der nötigsten Infrastruktur, medizinischer Versorgung und Schutzräumen fehlt, unhaltbar", heißt es in der Erklärung. Die Bundesregierung müsse deshalb sofort handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen.

Nach einem im Auftrag der Grünen erstellten Gutachten könnten die Länder bereits autark entscheiden: "Sowohl das Grundgesetz als auch das einfache Recht gewähren den deutschen Bundesländern substanziellen Spielraum, Maßnahmen zur Aufnahme von Flüchtenden aus humanitären Notlagen zu ergreifen", heißt es in einer Expertise der Rechtsanwaltskanzlei Redeker, Sellner und Dahs.

Auch die Chefin der Bayern-SPD, Natascha Kohnen, forderte im "Frühstart" von RTL/ntv: "Lasst uns die Kinder, die Minderjährigen, die Schwangeren endlich rausholen und lasst sie rein nach Europa, und hier müssen wir einfach Humanität zeigen. Und das vermisse ich. Einfach nur diese Härte zu zeigen, das ist falsch."

Unions-Fraktionsvize warnt vor "Sogwirkung"

Ganz anders als Martin Patzelt sieht die Lage sein Parteikollege, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei. Frei warnte in der Wochenzeitung "Das Parlament" davor, eine "unglaubliche Sogwirkung" zu erzeugen, "weil es das Signal wäre, dass die Wege nach Deutschland offen sind". Zugleich mahnte er mit Blick auf eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems einen "glaubwürdigen Außengrenzschutz" an. Andernfalls werde man "unsere Partner nie von einer Verteilung von Flüchtlingen überzeugen können".

Die Türkei hält seit dem Wochenende Flüchtlinge nicht mehr davon ab, von ihrem Territorium aus in die EU zu gelangen. Griechische Sicherheitskräfte bemühen sich, Grenzübertritte zu verhindern. In den völlig überfüllten Flüchtlingslagern vor allem auf den griechischen Inseln ist die Lage dramatisch.

Hintergrund der türkischen Grenzöffnung ist die Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien seit Dezember. Durch die Kämpfe sind nach UN-Angaben in der an die Türkei angrenzenden Provinz Idlib knapp eine Million Menschen in die Flucht getrieben worden. In der Nacht zum Freitag trat allerdings in Idlib eine Waffenruhe in Kraft, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der russische Staatschef Wladimir Putin ausgehandelt hatten.

Quelle: ntv.de, psa/ghö/AFP

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