"Sehe eine Zukunft für mich" Chelsea Manning ist frei
17.05.2017, 13:49 Uhr
Die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning auf einer Archivaufnahme von 2010.
(Foto: REUTERS)
Für viele eine Heldin, für andere eine Verräterin: Für Chelsea Manning öffnen sich nach sieben Jahren Haft die Gefängnistore. Ihre Freilassung hat die Wikileaks-Informantin Barack Obama zu verdanken.
Nach fast sieben Jahren in US-Militärhaft ist die Whistleblowerin Chelsea Manning wieder auf freiem Fuß. Das bestätigten die US-Army und die Anwälte Mannings. Sie war dafür bestraft worden, dass sie vertrauliche Informationen - auch über mögliche Kriegsverbrechen des US-Militärs - öffentlich gemacht hatte.
"Nach weiteren angstvollen vier Monaten des Wartens ist der Tag endlich gekommen", heißt es in einer Stellungnahme Mannings, die ihre Anwälte veröffentlichten. "Alles, was vor mir liegt, ist wichtiger als die Vergangenheit", heißt es weiter. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte die heute 29 Jahre alte Manning ein Foto, das ihre Füße in Turnschuhen zeigt, offenbar als Symbol für die ersten Schritte in Freiheit gemeint.
Manning war - damals noch unter dem Namen Bradley - als US-Soldat im Irak und hatte der Enthüllungsplattform Wikileaks Hunderttausende Dokumente zugespielt. Das meiste Aufsehen erregte ein Video, das Wikileaks im April 2010 veröffentlichte: Es lässt die Zuschauer durch das Fadenkreuz von Soldaten blicken, die in einem US-Kampfhubschrauber über Bagdad kreisen und mindestens zwölf Zivilisten erschießen, darunter auch zwei Reuters-Fotografen. Die Tonaufnahme der Soldaten vermittelt den Eindruck, Töten mache ihnen Spaß. Zusammen mit einer wahren Flut von geheimen Dokumenten landete das Material bei Wikileaks und schlug nach der Veröffentlichung in ausgewählten Medien weltweit ein.
Auf Mannings Spur kam das US-Militär, weil die Eitelkeit den jungen Mann packte. In einem Chat mit dem berühmt-berüchtigten Hacker Adrian Lamo gab Manning mit seiner Tat an, woraufhin dieser den Obergefreiten bei der Staatsmacht verpfiff. Was dann folgte, zeugt von einer langen Leidenszeit: Zunächst saß Manning in Isolationshaft in einem Militärgefängnis in Kuwait, dann in einer Einzelzelle auf dem Stützpunkt Quantico im US-Bundesstaat Virginia - wegen angeblicher Selbstmordgefahr wurde ihm sämtliche Kleidung abgenommen, alle fünf Minuten musste er die Frage "Are you ok?" positiv beantworten. Nach Protesten von Menschenrechtsaktivisten gegen die Haftbedingungen verlegte ihn die Armee im Frühjahr 2011 schließlich in das Militärgefängnis Fort Leavenworth in Kansas.
Während der Haft unternahm Manning mehrere Suizid-Versuche. Die Bedingungen vor allem in der Untersuchungshaft nannte der UN-Folterbeauftragte Juan Mendez 2012 "grausam, inhuman und entwürdigend". 2013 machte Manning bekannt, sie sei eine Frau und heiße künftig Chelsea.
Obama machte den Weg frei
Ihre Freilassung hat sie Barack Obama zu verdanken. Drei Tage vor seinem Amtsende verkürzte der US-Präsident die Haftstrafe für Manning von 35 auf 7 Jahre. Sie habe eine überproportional harte Strafe bekommen, argumentierte Obama, nur noch vier weitere Monate sollte sie im Militärgefängnis bleiben müssen. Auf Twitter zählte Manning die Tage bis zu ihrer Freilassung herunter.
"Auf diesen Tag, an dem dieser Leidensweg für Chelsea Manning ein Ende hat, haben Tausende von Aktivistinnen und Aktivisten von Amnesty International hingearbeitet", sagte Margaret Huang, geschäftsführende Direktorin von Amnesty International in den USA.
Manning werde vorerst keine Interviews geben, schrieb ihr Rechtshilfeverband American Civil Liberties Union (ACLU). Die Organisation verbreitete aber eine Botschaft der Frau, die das US-Militär als Verräterin betrachtet, die viele andere Menschen weltweit aber für eine Heldin halten: "Zum ersten Mal kann ich für mich eine Zukunft als Chelsea sehen", schrieb sie demnach. "Freiheit war bisher für mich etwas, das ich mir erträumte, das ich mir aber nie erlaubte, es mir so richtig vorzustellen. (…) All den Menschen, die mich am Leben gehalten haben, Präsident Obama, meinen Anwälten und den zahllosen Unterstützern, werde ich für immer dankbar sein."
Quelle: ntv.de, dsi