US-Denkfabrik sieht Differenzen China ist offenbar unzufrieden mit Russland
08.08.2023, 14:10 Uhr Artikel anhören
Putin, Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu (l) und sein russischer Kollege Sergej Schoigu besprechen sich im Frühjahr im Kreml.
(Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP)
Wie sehr unterstützt Peking den Kurs des Kreml? Nach den Ukraine-Gesprächen in Saudi-Arabien stellt der US-Thinktank ISW fest: Das chinesisch-russische Verhältnis kennt Grenzen. Allerdings scheut sich Peking laut Insidern wohl, "sich in ein politisches und diplomatisches Gezänk mit Russland einzulassen".
Nach dem Ukraine-Treffen in Saudi-Arabien am Wochenende konstatieren US-Experten eine Unzufriedenheit Chinas mit dem russischen Angriffskrieg. Laut dem US-Institut für Kriegsstudien ISW ist das Verhältnis zwischen Peking und Moskau, anders als vom Kreml gewünscht, keine Partnerschaft ohne Grenzen.
Bei dem Treffen in Dschidda hatten sich ranghohe Vertreter von etwa 40 Staaten über einen Friedensplan für die Ukraine unterhalten. Russland war nicht eingeladen. Dabei ging es vor allem um die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorgelegte sogenannte Friedensformel aus zehn Punkten, die auch einen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine vor Beginn von Verhandlungen festlegt. Andere Staaten wie etwa China hatten ebenfalls eigene Friedenspläne vorgeschlagen.
Die "Financial Times" zitierte einen bei den Gesprächen anwesenden europäischen Diplomaten mit den Worten, dass "die bloße Anwesenheit Chinas zeigt, dass Russland mehr und mehr isoliert ist". Die chinesische Delegation hat demnach auch ihre Bereitschaft signalisiert, am nächsten Treffen eines ähnlichen Formats teilzunehmen.
Laut russischen Insidern, auf die sich das ISW bezieht, wiesen einige Vertreter Pekings zudem darauf hin, dass Moskau nicht gewillt sei, sich an den chinesischen Friedensplan zu halten. "Auf inoffizieller Ebene gibt es Anzeichen dafür, dass der von Präsident Xi gebilligte Plan von der Russischen Föderation im Wesentlichen auf den Müll geworfen wurde", so die zitierte Quelle. "Das gefällt den chinesischen Eliten nicht." China werde jedoch keine lautstarken Erklärungen abgeben, denn niemand habe das Ziel, "sich in ein politisches und diplomatisches Gezänk mit Russland einzulassen. Aber bestimmte Schlussfolgerungen sind gezogen worden", so die Insider.
Bereits in früheren Einschätzungen kam das ISW zu dem Schluss, dass China in der Ukraine-Frage nicht vollständig auf einer Linie mit Russland liege und dass die Beziehungen zwischen Russland und China keine "grenzenlose Partnerschaft" seien, wie es sich der Kreml wünsche.
Gespräche sollen fortgesetzt werden
Der Chef des Präsidialamtes in Kiew, Andrij Jermak, sagte, dass für die Ukraine ausschließlich Selenskyjs Friedensformel Diskussionsgrundlage sei. Er räumte auch ein, dass neben viel Einigkeit etwa bei der Achtung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine es teils auch Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Laut Jermak sollen die Gespräche fortgesetzt werden, damit letztlich der Gipfel der Staats- und Regierungschefs zu der Friedensformel vorbereitet werden könne.
Nach früheren Angaben Jermaks soll der Gipfel bis Ende des Jahres organisiert werden. Es werde nun auch nach einem geeigneten Kontinent und Land gesucht, hatte er am Montag gesagt. Bei einem zweiten Gipfel solle auch Russland hinzugezogen werden. Das Präsidentenamt in Kiew hofft nach eigenen Angaben darauf, dass Russland bis dahin bereits kapituliert haben wird.
Russland, das seinen großangelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen hatte, erklärte dagegen wiederholt, dass Friedensgespräche ohne eine Beteiligung Moskaus bedeutungslos seien. Kremlchef Wladimir Putin hatte sich zudem immer wieder sicher gezeigt, den Krieg zu gewinnen. Russland hat erklärt, die annektierten Gebiete Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk komplett unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Putin hatte die Gebiete nach der völkerrechtswidrigen Annexion auch in die Verfassung als Teile Russlands aufgenommen. Kein Staat der Welt erkennt das an.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa