Politik

Fall Gauland/Boateng Der schwarze AfD-Mann schweigt lieber

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Achille Demagbo

(Foto: imago/Jens Jeske)

Deutschland diskutiert über den Wahrheitsgehalt der Boateng-Aussage von Alexander Gauland. Einer könnte Wesentliches dazu beitragen: Achille Demagbo, schwarzes Vorstandsmitglied der AfD in Schleswig-Holstein. Doch der redet nicht.

Wann immer es um Rassismus-Vorwürfe geht, sagt Achille Demagbo Sätze wie diesen: "Glauben Sie mir bitte, dass ich niemals einer ausländerfeindlichen oder gar rassistischen Partei beigetreten wäre." Der 36-Jährige stammt aus dem westafrikanischen Benin, lebt seit zwölf Jahren in der Bundesrepublik, dem Land, das er "liebt, weil ich ihm sehr viel zu verdanken habe" – und ist Vorstandsmitglied der AfD in Schleswig-Holstein.

Da liegt es auf der Hand, einmal nachzufragen, wie Demagbo und seine Kieler AfD-Vorstandskollegen das Miteinander erleben, um den Wahrheitsgehalt der Alexander Gauland zugeschriebenen Äußerung zu überprüfen: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Doch der Landesverband hüllt sich in kollektives Schweigen. "Wir nehmen prinzipiell nicht Stellung zu Äußerungen von Bundesvorstandsmitgliedern", erklärt Volker Schnurrbusch, der als stellvertretender AfD-Landeschef die Pressearbeit macht.

Dann also eine auf Schleswig-Holstein bezogene Nachfrage an die Vorsitzenden Bruno Hollnagel und Jörg Nobis. Hätten die zwei AfD-Politiker ein Problem damit, neben Demagbo zu wohnen? Dieses Mal lautet die Antwort des Sprechers, die Landesvorsitzenden würden sich dazu nicht äußern. "Wir halten die ganze Angelegenheit für aufgebauscht und kümmern uns lieber um unsere eigentliche Aufgabe: Politik für Schleswig-Holstein zu machen", teilt Schnurrbusch mit, der das Mediengeschäft aus jahrzehntelanger Erfahrung als Journalist und TV-Produzent bestens kennt.

"Auf derartige Anfragen können wir verzichten"

Auch wenn die Partei laut Eigenwerbung gegen "Denk- und Sprechverbote" ist und die verbale Attacke mag, so setzt die Kieler AfD-Führung an der Stelle auf Schweigen. Wähnt sie sich doch in einer Zwickmühle, die Politiker nur zu gut kennen: Egal, was wir sagen – es kann nach hinten losgehen. Würden Hollnagel und Nobis erklären, dass sie selbstverständlich nichts gegen Demagbo als Nachbarn hätten, könnte es ihnen als Distanzierung von Gauland ausgelegt werden. Würden sie erklären: "Wir finden Demagbo als Politiker gut. Aber wir wollen einen Demagbo nicht als Nachbarn haben" – die Republik stünde Kopf. Dann also lieber: Mund halten!

Katja Jung-Buhl, ebenfalls Mitglied im Kieler AfD-Vorstand, gibt das Dilemma offen zu. Sie lehnt eine Antwort auf die Frage ab, ob sie etwas gegen Demagbo oder einen andere Schwarzen als Nachbarn hätte, um dann doch auf ihrer Facebook ausführlich darüber zu referieren. "Auf derartige Presseanfragen" könnten sie und Demagbo verzichten, "weil die Absicht dessen, was daraus konstruiert werden soll, einem quasi schon ins Gesicht springt". Auch wolle sie sich nicht "auf unsere jeweilige Hautfarbe" reduzieren lassen, da das "rassistisch" wäre.

"Aber um die Frage dann doch noch zu beantworten", fährt die AfD-Politikerin fort: "Natürlich würde ich gerne neben meinem Vorstandskollegen Achille Demagbo wohnen, zumal seine Frau hervorragend backt und wir so regelmäßig Kuchen- und Schweinebraten-Rezepte austauschen könnten." Sie hoffe, damit keine "68er-Multikulti-Stereotype ausgelassen" zu haben.

Ihr Vorstandskollege Matthias Niemeyer wiederum erklärt "klar und direkt: Ich hätte nichts dagegen, wenn Herr Demagbo … mein Nachbar wäre." Im Übrigen habe er, Niemeyer, vor Jahren in München mit schwarzen US-Bürgern American Football gespielt. "Mit denen kam ich gut klar, wir feierten nach den Spielen." Es habe "keinerlei Berührungsängste" gegeben.

Und was sagt Demagbo selbst zur Causa Gauland/Boateng? Auf Anfragen antwortet er nicht. AfD-Sprecher Schnurrbusch übernimmt das für ihn und gibt zwei Sätze von Demagbo frei. "Ich habe in Deutschland niemals Probleme mit Nachbarn gehabt." Und: "Hinter dem einzigen physischen Angriff, den ich bisher erlebt habe, steckten linke Studenten, die mich daran gehindert haben, einen Vortrag in der Lüneburger Universität zu halten."

Vor einem Jahr sah das noch ganz anders aus. Im Streit über das Logo der Mainzer Dachdeckerfirma Thomas Neger – es zeigt einen stilisierten Schwarzen mit dicken Lippen und Kreolen – nannte es der Mann aus Benin "eine Ehre", dass er um seine Meinung zu dem Thema gebeten werde. Demagbo, ein überaus höflicher und freundlicher Mensch, stellte sich damals klar auf die Seite derjenigen, die das Emblem behalten wollen: "Man spürt doch, es war nicht die Absicht, uns Schwarze negativ darzustellen." Demagbo sagte in jener Zeit: "Rassismus ist mir hierzulande nicht begegnet. Ganz im Gegenteil: Wir Schwarzen genießen eine große Akzeptanz."

Quelle: ntv.de

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