Wie rechts darf’s denn sein? Die FPÖ verschärft den Ton
30.10.2016, 13:17 Uhr
Spitzenpolitiker der FPÖ läuten die neue Runde der Präsidentschaftswahlen an: Kandidat Norbert Hofer, Parteichef Heinz-Christian Strache und der stellvertretende Landeshauptmann Oberösterreichs, Manfred Haimbuchner (v.r.).
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Parteichef spricht von Bürgerkrieg, der Generalsekretär tritt vor Rechtsradikalen auf: Kurz vor der Präsidentschaftswahl bewegt sich die FPÖ nach rechtsaußen. Ein strategischer Fehler – oder Ausdruck der politischen Stimmung?
Wenn die FPÖ wirklich ein Wolf im Schafspelz ist, gibt sie sich gerade wenig Mühe mit der Verkleidung. 36 Tage vor der erneuten Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten schlagen die Rechtspopulisten deutlich radikalere Töne an als noch vor einigen Monaten. Die Stimmung in Österreich ist gereizt, das Land streitet um die Frage: Wie weit rechts ist zu weit rechts?
Die rhetorische Aufrüstung startete FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache am Montag in seiner "Rede zur Lage der Nation aus freiheitlicher Sicht". Die anderthalbstündige Ansprache gipfelte in der Behauptung, der Zuzug von "kulturfremden Armutsmigranten" mache "mittelfristig einen Bürgerkrieg nicht unwahrscheinlich". Fast alle Parteien verurteilten Straches Wortwahl – selbst die angeschlagenen Großkoalitionäre von SPÖ und ÖVP, die sich damit abgefunden haben, dass sie sich nach der nächsten Nationalratswahl 2018 wohl der FPÖ als Juniorpartner andienen müssen.
Spitzenkandidat der Rechtspopulisten soll eben jener Strache werden, der sich auf seiner Facebook-Seite selbst als "Bürgerkanzler" bezeichnet. Für seine fast 450.000 Follower postete er zum Nationalfeiertag am Mittwoch eine Strophe von "Sei gesegnet ohne Ende", der Hymne Österreichs von 1929 bis 1938, also auch während des austrofaschistischen Ständestaates. Ihr Verfasser Ottokar Kernstock war schon zu Lebzeiten eine stark umstrittene Figur, nicht zuletzt, weil er 1923 das "Hakenkreuzlied" schrieb.
Sein Auftritt in den sozialen Medien ist ein Paradebeispiel für die Parallelwelt, die sich die Freiheitlichen im Internet schaffen. Ob auf Straches Facebook-Seite, auf FPÖ-TV oder im Whatsapp-Kanal: Halbwahrheiten stehen neben verdrehten Fakten und Hasskommentaren. Diese Angebote richten sich hauptsächlich an das Stammpublikum der Rechtspopulisten.
"So wahr mir Gott helfe"

Schmierereien auf einem Wahlplakat des grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander van der Bellen. Seit einer Morddrohungen aus Neonazi-Kreisen steht er unter besonders starkem Personenschutz.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach außen hatte sich die FPÖ dagegen vor allem im Bundespräsidentschaftswahlkampf gemäßigt gegeben, um auch die Wähler in der Mitte anzusprechen. Mit Norbert Hofer hat die Partei einen Mann gefunden, der für diese Schicht offensichtlich als erster Mann im Staat tragbar wäre. Dafür haben die Strategen den stets freundlichen Hofer mit einem unverfänglichen Image ausgestattet: Nicht rechts, sondern "für das Volk".
In der annullierten Stichwahl vom 22. Mai verlor Hofer nur um rund 30.000 Stimmen gegen den Grünen Alexander van der Bellen. Doch seitdem, sagt der Wiener Politikberater Thomas Hofer n-tv.de, habe die Kampagne einige Fehler gemacht. "Ich erinnere an die Öxit-Überlegungen nach dem Brexit und die Diskussion über einen Beitritt zu den Visegrad-Staaten." Zuletzt musste sich Hofer für seinen Plakat-Slogan "So wahr mir Gott helfe" Kritik von den Kirchen anhören. "Gott ist nicht parteipolitisch", grantelte etwa der Vorarlberger Bischof Benno Elbs.
Angriffsfläche für Van der Bellen
Und nun wird Hofer nicht nur von seinem Parteichef Strache übertönt, auch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sorgt für Unruhe: Er sprach am Wochenende auf dem Kongress der "Verteidiger Europas" in Linz, einem Vernetzungstreffen der deutschsprachigen radikalen Rechten. Zu den Rednern zählte auch Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Querfront-Magazins "Compact" und regelmäßiger Gast bei Pegida. Im Publikum saßen vor allem Burschenschafter und die sogenannte "Neue Rechte".
Politikberater Thomas Hofer kann sich keinen Reim auf den aktuellen Kurs der FPÖ machen. "Das Gottes-Zitat auf dem Plakat von Norbert Hofer geht noch als Aufmerksamkeitstaktik durch, als gezielte Provokation und Erinnerung daran, dass die FPÖ für das Abendland steht", sagt er. "Die Anspielung auf den Bürgerkrieg, das Kernstock-Zitat und Kickls Auftritt in Linz schaden aber mehr als sie helfen." Tatsächlich hat die Kampagne des Grünen Alexander van der Bellen neues Futter erhalten. Sie zielte von Anfang an darauf, Norbert Hofer als Wolf im Schafspelz darzustellen, als einen, der zwar freundlich lächelt, aber im Amt knallharte rechte Politik machen würde.
Begeht die FPÖ also gerade einen strategischen Fehler – oder sind die jüngsten Äußerungen Teil eines "Normalisierungsprozesses", den der Rechtsextremismusforscher Bernhard Weidinger von der Uni Wien in Österreich beobachtet? Er sehe den Diskurs im Land nach rechts driften, sagt er n-tv.de. Ein Argument liefert ihm vergangene Woche der Privatsender "ServusTV". Für eine Talkshow zum Thema "Radikalisierung unter jungen Muslimen" lud der Sender einen Vertreter der rechtsradikalen "Identitären Bewegung" ein. Drei Gesprächspartner sagten deswegen ihre Teilnahme ab, doch der Sender zog die Sendung durch. Der Chefredakteur wetterte anschließend gegen "versuchte Sabotage" und das "ideologische Diktat einer linksintellektuellen Meinungselite". Er erntete Applaus: von Heinz-Christian Strache.
Quelle: ntv.de