Politik

Sohn eines Hamas-Gründers "Die Hamas-Führer sind Psychopathen"

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Mosab Hassan Yousef ist ein Sohn des Hamas-Mitgründers Hassan Yousef. Er saß wegen seiner Arbeit für die Terrororganisation lange in einem israelischen Gefängnis, bevor er zehn Jahre lang für den israelischen Geheimdienst spionierte und schließlich 2020 in den USA Asyl erhielt.

Mosab Hassan Yousef ist ein Sohn des Hamas-Mitgründers Hassan Yousef. Er saß wegen seiner Arbeit für die Terrororganisation lange in einem israelischen Gefängnis, bevor er zehn Jahre lang für den israelischen Geheimdienst spionierte und schließlich 2020 in den USA Asyl erhielt.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Nach dem Anschlag vom 7. Oktober wurde der Sohn eines Hamas-Gründers zum internationalen Sprachrohr gegen die Terrororganisation. Im Interview mit ntv.de berichtet Mosab Hassan Yousef, wie die Hamas tickt, die für ihre Ziele selbst die eigenen Kinder zu opfern bereit ist.

ntv.de: Es sind fast zehn Monate seit dem brutalen Angriff der Hamas vergangen, der den Gaza-Krieg auslöste. Waren Sie überrascht, dass einer der Verantwortlichen, Ismail Hanija, Ende Juli in Teheran ermordet wurde?

Mosab Hassan Yousef: Er gehörte zu den Drahtziehern des Massakers vom 7. Oktober. Diese Verbrecher wähnten sich in Sicherheit, als sie sich unter Zivilisten in Gaza oder im Golfstaat Katar versteckten.

Aber war er nicht Chef des sogenannten Polit-Büros der Hamas?

Dies ist eine brutale Terrororganisation, angetrieben von religiösem Hass und einer illusionären Ideologie. Sie ist für den Tod von vielen unschuldigen Menschen verantwortlich und ihr oberstes Ziel ist seit fast 36 Jahren die Vernichtung des jüdischen Volkes. Solange die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage war, diesen Massenmörder vor Gericht zu bringen, gab es keine Alternative. Die Eliminierung eines Hamas-Terroristen sollte man feiern.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Ermordung von Hanija auf den Konflikt zwischen Hamas und Israel auswirken?

Die Hamas wird langsam auseinandergenommen. Ihre Führer werden für ihre Verbrechen bezahlen, egal wo sie sich verstecken. Man hätte sie bereits zu Beginn des Krieges in Katar eliminieren sollen.

Was meinen Sie damit?

Katar trägt an dem brutalen Massaker vom 7. Oktober eine Mitschuld. Sie haben die Hamas finanziert, gaben ihnen Immunität, die nötige Infrastruktur und wahrscheinlich auch Geheimdienstinformationen. Ihr staatlicher Sender "Al Jazeera" präsentierte sie als Widerstandsbewegung. Doch nur weil sich Katar mit all seinen Kapital- und Energieressourcen als Global Player gibt, bedeutet es nicht, dass sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

Aber ist Katar nicht ein wichtiger Vermittler in diesem Konflikt, besonders was die Freilassung der israelischen Geiseln betrifft?

Eben nicht, und die dortige Hamas-Führung hat keine Kontrolle über Yahya Sinwar in Gaza. Sie können den neuen Hamas-Chef nicht unter Druck setzen und haben daher keine Macht, ihn davon zu überzeugen, die Geiseln freizulassen. Wenn Verhandlungen die einzige Option sind, sollte Sinwar eine Delegation über eine sichere Passage nach Kairo schicken und direkt mit Israel sprechen. Doch auch Ägypten trägt eine Mitschuld.

Erklären Sie das bitte.

Die offensichtliche Lösung für die humanitäre Krise in Gaza war, die ägyptische Grenze zu öffnen und den Zivilisten die Ausreise zu ermöglichen. Dies hätte der Hamas die Karte aus der Hand genommen, die Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Das hätte Israel in die Lage versetzt, die Terrororganisation auszulöschen.

Die Hamas kann Israel nicht zerstören, nur durch Terrorangriffe empfindsam treffen. Was genau ist ihre Strategie?

Es ist eine selbstmörderische Terrororganisation mit einer wahnhaften Idee, die darauf abzielt, das jüdische Volk auszulöschen und Israel durch einen islamischen Staat zu ersetzen. Die Hamas-Führer sind Psychopathen, die keinen Diskurs suchen. Sie akzeptieren nicht nur Israels Existenzrecht nicht, sondern niemanden, der nicht ihrer engstirnigen Denkweise angehört.

Welches Ziel verfolgt also die Hamas?

Sie wollen einen "globalen Staat" mit ihrer radikalen Version des sunnitischen Islam. Nicht nur, um Israel auszulöschen, sondern auch, um andere islamische Bewegungen zu eliminieren. Für sie ist die westliche Zivilisation mit ihrer Demokratie, Werten, Frauenrechten und Vielfalt böse und blasphemisch.

Als Sie Mitglied der Hamas waren, haben Sie praktisch alle aktuellen Führer getroffen. Wie können Sie die beschreiben?

Vor 15 Jahren wollte mich Ismail Hanija töten, als ich dagegen war, dass mein Vater Teil der von der Hamas angestrebten islamischen Diktatur in Gaza sein wird. Ich hatte Kontakt mit Anführern wie Khaled Maschaal und anderen mittlerweile getöteten Topterroristen. Die Hamas in Gaza ist noch radikaler als ihre Fraktion in der Westbank. Sie sind bereit, ihre eigenen Kinder für Allah und Palästina zu opfern.

Glauben Sie, dass eine Demokratie wie Israel die Hamas stürzen kann?

Davon bin ich überzeugt. Früher dachte auch ich, dass die Hamas eine Ideologie sei, die nicht zerstört werden könnte. Doch sie ist abhängig von der Muslimbruderschaft, also dem Islam und dem Menschen. Wir können sie nicht über Nacht auslöschen. Aber langsam entmachten. Selbst die Nazis wurden gestürzt und auch ihre Ideologie wurde bedeutungslos.

Wer sollte Ihrer Meinung nach Gaza regieren, wenn der Krieg endet?

Niemand sollte für seine Gewalt belohnt werden. Wenn die Palästinenser eine Lösung gewollt hätten, hätten sie jede ihnen gebotene Gelegenheit genutzt. Erst muss sich die Gesellschaft vom Islamismus lösen und es sollten unter der Sicherheitskontrolle Israels und einer moderaten arabischen Zivilverwaltung zunächst einmal wirtschaftliche Lösungen gefunden werden, um Wohlstand zu erreichen. Auch sollten die Menschen eine moderne Bildung, Infrastruktur und Hilfe in allen anderen Lebensbereichen erhalten.

In Ihrem neuen Buch "Von der Hamas nach Amerika", das vergangene Woche auf Englisch erschienen ist, erzählen Sie Ihre Geschichte von Ihrer Arbeit als israelischer Spion und Ihrem neuen Leben als Christ in den USA. Wie stark schmerzt es, wenn man Sie als Verräter Ihrer Familie und der palästinensischen Sache bezeichnet?

Überhaupt nicht. Während der zweiten Intifada hatte ich immer Informationen über Selbstmordattentäter und verhinderte, dass diese ihr Ziel erreichten. Ich wurde von niemandem manipuliert. Ich hatte das Gefühl, der Menschheit zu dienen.

Trotzdem haben Sie dem Staat Israel geholfen, der den meisten Palästinensern als Feind gilt ...

Ich hatte erkannt, dass ich für die falsche Sache kämpfte. Die arabischen Nationen haben die sogenannte palästinensische Sache stets benutzt, um Israel zu zerstören. Zwar haben die Araber die byzantinische Region Palästina im siebten Jahrhundert erobert, doch das jüdische Volk hat eine über 3500 Jahre alte physische und spirituelle Verbindung zum Land Israel. Das erwähnt übrigens auch der Koran, doch der radikale Islam führt einen religiösen Krieg gegen das Judentum.

Wie meinen Sie das?

Der Islam glaubt, dass er das Monopol der Wahrheit besitzt und Judentum wird als Korruption angesehen, weshalb Allah ein Problem mit ihnen hat. Das liegt daran, dass sie ungehorsam gewesen seien und deswegen in Ungnade gefallen sind. Muslime haben demnach das Recht, die Juden - sowie alle Nichtmuslime, die Allah nicht gehorchen oder sich ihm nicht unterwerfen - für alle Ewigkeit zu bestrafen.

Nach dem Massaker vom 7. Oktober sagten Sie, dieser Völkermord am jüdischen Volk sei für Sie eine persönliche Angelegenheit. Was meinten Sie damit?

Ich wusste, wozu die Hamas fähig war. Damals schaffte ich den Ausstieg und schrieb das Buch, um auch auf ihre Gefahr hinzuweisen. Viele nannten mich einen Lügner, doch 15 Jahre später war die ganze Welt Zeuge der Auferstehung eines Monsters und ihres Genozids vom 7. Oktober.

Nachdem Israel die Nummer zwei der libanesischen Terrororganisation Hisbollah getötet hatte, erklärte deren Anführer Nasrallah, dass der Krieg in eine neue Phase eintrete. Stehen wir am Rande eines umfassenden Krieges zwischen dem Iran, seinen Stellvertretern und dem jüdischen Staat?

In dieser Phase sind wir seit 10 Monaten. Der Iran ist eine sehr ernste globale Bedrohung und in erster Linie ein strategischer Feind der USA. Sie stehen kurz davor, Atomwaffen zu besitzen. Hätte sich Washington von Anfang an mit der Realität der Situation im Nahen Osten auseinandergesetzt, hätten wir diesen Krieg mit dem Iran und der Hisbollah innerhalb von drei Monaten beenden können. Die USA haben nicht verstanden, dass die Legitimierung und Normalisierung solcher Terrorakte zu globalem Chaos führt.

Könnte eine Allianz zwischen Israel und Saudi-Arabien den Iran und seine Stellvertreter abschrecken?

Eine Erweiterung des Abraham-Abkommens könnte beiden Länder helfen, da man gemeinsame Interessen hat. Doch das Königreich ist nicht der Freund Israels oder des Westens. Die Staatsreligion von Saudi-Arabien ist eine radikal-konservative Auslegung des sunnitischen Islam und sie haben den internationalen Terrorismus jahrelang mitfinanziert.

Wie erklären Sie sich, dass selbst nach dem von der Hamas verübten Massaker viele Menschen in der westlichen Welt Israel verurteilen und des Völkermords bezichtigen?

Erstaunlich ist, wie die Hamas Harvard und viele andere westliche Universitäten schon kurz nach dem Massaker mit ihrer Indoktrination und Opferpropaganda infiltriert haben. Sie begingen Völkermord und verkauften der Welt, dass sie Opfer eines Genozids seien. Wir erleben heute eine globale Intifada, die auf einer falschen Erzählung basiert und zu weltweitem Chaos führt. Die Menschen in der freien Welt sind als nützliche Idioten in die Falle der Hamas getappt.

Die Hisbollah behauptete, dass sie mehr gegen die USA als gegen Israel kämpfe. Befinden wir uns eigentlich in einem Kampf der Kulturen? Der Westen gegen die islamische Welt?

In der islamischen Welt predigen viele eine strenge Auslegung der Religion wie bei ihrer Entstehung im siebten Jahrhundert. Doch es gab eine reiche arabische Kultur vor dem sunnitischen und schiitischen Islam. Ich glaube nicht, dass Israel ein Problem mit den Arabern oder Persern hat. Der Islam ist verantwortlich für die Instabilität in der Region. Sein primär gewalttätiger Kampf, die Welt für seine konfessionelle Mission zu gewinnen, führt zwangsläufig zu Konflikten mit anderen Kulturen. Und daran sind schon andere Religionen gescheitert.

Mit Mosab Hassan Yousef sprach Tal Leder

Quelle: ntv.de

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