Früher in die Ferien starten Die Idee, die Weihnachten retten kann
11.11.2020, 19:48 Uhr
Was wäre das Fest der Besinnlichkeit ohne Familienbesuche?
(Foto: picture alliance/dpa)
An den Schulen stecken sich immer mehr Kinder mit Covid-19 an. Doch zu Weihnachten wollen Oma und Opa ihre Enkel sehen. Zu gefährlich? Eine Idee aus NRW könnte helfen, das Familienfest möglich zu machen.
Weihnachten 2020. Statt "Was schenken wir uns?" fragen sich viele Menschen in Deutschland: "Wen können wir ruhigen Gewissens besuchen?" Traditionell kommen bei vielen die Generationen zusammen - Kinder und Eltern treffen die Großeltern. Aber die sind in diesem Jahr Risikogruppe. Und in den Schulen der Enkelkinder steigen die Covid-19-Fallzahlen.
Heute schlägt der Deutsche Lehrerverband Alarm: 300.000 Schülerinnen und Schüler seien derzeit in Quarantäne. Man muss diese Zahl zwar mit den mehr als 10 Millionen Schülerinnen und Schülern in Deutschland ins Verhältnis setzen. Aber es sind doch sechs Mal so viele wie Ende September. Beim Lehrpersonal zählt der Verband bis zu 30.000 Quarantänefälle. Damit bescheren die Enkel Oma und Opa nicht nur Freude zum Fest, sondern auch ein erhöhtes Infektionsrisiko. Was also tun, wenn Angehörige in einem Alter sind, das es schwer macht zu sagen: Wir lassen den Besuch ausfallen und verschieben ihn auf nächstes Jahr?
Die halbe Republik durchtesten? Dazu fehlen die Kapazitäten. Schon jetzt arbeiten viele Labore am oder überm Limit. Wer einen PCR-Abstrich machen lässt, wartet in Berlin aktuell bis zu sechs Tage auf das Ergebnis. Dann sind die Feiertage schon wieder vorbei. Ein sehr früher Test ist aber kaum aussagekräftig, wenn die Getesteten danach weiter zur Arbeit oder in die Schule gehen. Auch sind die begrenzten Ressourcen für Testungen jenen vorbehalten, die Symptome zeigen oder einen Risiko-Kontakt hatten. Wird es also - wenn überhaupt - eine Bescherung mit Mindestabstand, Schutzmaske und vor allem mit einem unguten Gefühl?
Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU hat für Nordrhein-Westfalen die Idee ins Spiel gebracht, es Familien zu erleichtern, vorbeugend in Quarantäne zu gehen, so sie das möchten. Statt die Kinder bis zum ersten Ferientag, dem 23. Dezember, zur Schule gehen zu lassen, könnte NRW die Ferien schon zwei Tage früher starten. Dann wäre der letzte Schultag Freitag, der 18. Dezember. Ab Samstag hätten Familien, die ihre Großeltern besuchen wollen, die Möglichkeit, die Kinder zu Hause zu lassen. Wer als Eltern auch noch im Homeoffice arbeiten kann, hätte damit die Chance, über fünf Tage das Ansteckungsrisiko zu minimieren - bis auf Termine oder Besorgungen, die sich nicht vermeiden lassen.
Es wäre wie "verkürzte" Quarantäne
Eine solche kurzfristige Regelung könnte Familien in NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen zugutekommen, denn in den sieben Bundesländern ist der Ferienbeginn auf den 23. Dezember datiert. Alle übrigen Bundesländer haben regulär nur noch Unterricht bis zum Freitag vor dem vierten Advent.
Würden auch sie die Ferien zwei Tage früher beginnen lassen, könnten Kinder dort sogar schon ab Donnerstag für eine komplette Woche in vorweihnachtliche Quarantäne gehen. Diese Zeitspanne hatte der Charité-Virologe Christian Drosten in der Vergangenheit für eine "verkürzte" Quarantäne empfohlen. Für Rheinland-Pfalz, das auch am Freitag, dem 18. Dezember, in die Weihnachtsferien startet, schließt die Mainzer Kultusministerin Stefanie Hubig allerdings aus, den Ferienbeginn nach vorn zu verlegen.
"Weihnachten ist für viele das Fest der Familie und der Freunde", sagte Hubig ntv.de. Die SPD-Politikerin ist derzeit Vorsitzende der Kultusministerkonferenz. "Wir sollten uns trotzdem auch während der Weihnachtsfeiertage und insbesondere an Silvester umsichtig verhalten." Zu Laschets Vorschlag könne sie für Rheinland-Pfalz sagen, dass die Weihnachtsferien dort am 21. Dezember, einem Montag, beginnen. "Dort, wo das nicht so ist, müssen das die zuständigen Kultusministerinnen und Kultusminister gemeinsam mit ihren Länderchefinnen und Länderchefs entscheiden."
Laschet erwägt, die beiden ausgefallenen Unterrichtstage zu Karneval nachzuholen. Da haben nordrhein-westfälische Schulen sonst die Möglichkeit, flexible Ferientage zum Beispiel auf den Rosenmontag zu legen. Doch laut Laschet ist eins "klar": Karneval "gibt es nächstes Jahr gar nicht. Weder auf den Straßen noch in der Art, wie wir das am Rosenmontag kennen. Und eigentlich sollte man auch nicht in Urlaub fahren", so der Ministerpräsident im WDR. Schulfrei zu Karneval wäre dann tatsächlich überflüssig.
Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag wirft Laschet vor, mit seinen Äußerungen das nächste Chaos ausgelöst zu haben. Noch vor wenigen Tagen habe NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer von der FDP die Idee einer Verlängerung der Winterferien als untauglich bezeichnet. Nun höre sich die Landesregierung gänzlich anders an. Laschet ist optimistisch: "Die Idee ist nicht schlecht." Und Gebauer verkündete noch am Abend, dass man sich dazu entschieden habe, den 21. und 22. Dezember freizugeben. Damit wird Freitag, der 18. Dezember, in NRW der letzte Schultag in diesem Jahr. Über eine Kompensation will Gebauer in den kommenden Tagen mit Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden klären. Und auch, wie eine Notbetreuung an den zusätzlichen freien Tagen sichergestellt werden kann.
"Ein ganz kleines Rädchen"
Zustimmung kommt von Stephan Wassmuth, dem Vorsitzenden des Bundeselternrats. "Das ist ein ganz kleines Rädchen, das man drehen könnte. Eine kurze, einfache Lösung, die schnell umsetzbar ist und keine großen Einschränkungen mit sich bringt", sagt er ntv.de. Dass gerade ältere Menschen sich zu Weihnachten Besuch wünschen, kann er - selbst Vater von vier Kindern - gut nachvollziehen. Er begrüßt darum den Vorschlag aus NRW als "kleinen Baustein, der Familien zu Weihnachten helfen kann".
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn unterstützt die Idee des früheren Ferienbeginns. Sie könnte aus seiner Sicht Anfang kommender Woche diskutiert werden, wenn sich Bund und Länder treffen, um die bisherigen zwei Wochen Lockdown auszuwerten. Der Vorschlag sei "sicherlich ein Teil der Debatte, auch für Montag oder auch für die Folgewochen", sagte der CDU-Politiker im "Frühstart" bei ntv. Für Eltern, Kinder und Lehrer sei Planbarkeit wichtig. "Das wäre mit so einer Maßnahme gegeben."
Quelle: ntv.de