Politik

Rechtsextreme Einstellungen Die Mitte ist aufgewacht, die Gefahr bleibt

Die Mitte ist gefordert - im doppelten Wortsinn.

Die Mitte ist gefordert - im doppelten Wortsinn.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Eine Mehrheit sieht den Rechtsextremismus als Bedrohung an. Grund zur Entwarnung ist das nicht, denn bei einer Minderheit verhärtet die Demokratiedistanz. Zugleich sind Verschwörungsmythen auf dem Vormarsch und die Ablehnung des Antisemitismus geht zurück.

Fast 70 Prozent der Deutschen sehen Rechtsextremismus als Bedrohung für das Land an. Ebenso viele, nämlich 69,6 Prozent, sagen das über den Klimawandel. Das ist das Ergebnis der neuen "Mitte-Studie", die von einem Forschungsteam der Universität Bielefeld im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde.

Die soziale Spaltung nannten in der Befragung 61,5 Prozent als Bedrohung, 60,5 Prozent die Corona-Pandemie. Auf Platz fünf folgt mit 53,8 Prozent Vereinsamung. Die "Mitte-Studie" wird seit 2006 alle zwei Jahre durchgeführt, sie untersucht vor allem rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in der Bevölkerung.

Der aktuellen Studie zufolge, die unter dem Titel "Die geforderte Mitte" erscheint, sind offen rechtsextreme Einstellungen rückläufig. Besonders gesunken ist die Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit. "Dies steht nur scheinbar in krassem Widerspruch zu dem Anstieg von offenen und gewalttätigen rechtsextremen Ausbrüchen", sagt Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein, Mitherausgeberin der Studie. "Denn die Mitte ist aufgewacht."

Entwarnung geben die Autorinnen und Autoren jedoch nicht, im Gegenteil: "Nach einer Phase der Polarisierung und Radikalisierung am rechten Rand der Mitte verhärtet sich nun die Demokratiedistanz in Teilen der Mitte", sagt Studienleiter Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

Der Graubereich nimmt zu

So zeigt die Studie etwa, dass knapp 20 Prozent der Befragten der Meinung sind, es werde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen. 16 Prozent stimmen der Aussage zu, die regierenden Parteien würden das Volk betrügen. Ebenfalls 16 Prozent glauben, das Land gleiche inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie. Weitere 11 Prozent stimmen dieser Aussage "teils/teils" zu.

Die "teils/teils"-Antworten haben bei den abgefragten rechtsextremen Aussagen zugenommen. Beate Küpper und Andreas Zick sagten bei der Vorstellung der Studie, ergänzende Analysen deuteten darauf, dass sich hinter einem Teil der "teils/teils"-Antworten latente Zustimmung verberge. Diesen Graubereich gibt es auch beim Antisemitismus. Zwar nehmen antisemitische Einstellungen nicht zu, aber die klare Ablehnung des Antisemitismus geht zurück. So wird die eindeutig antisemitische Aussage "Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns" von 67,1 Prozent klar und von 17,8 eher abgelehnt. Aber 11,7 Prozent antworten mit "teils/teils".

Erstmals wurde für die "Mitte-Studie" auch Rassismus gegen Schwarze abgefragt. Auch hier zeigt sich: Nur eine Minderheit stimmt offen rassistischen Aussagen zu. So lehnen 81 Prozent die Aussage ab, "wenn schwarze Menschen sich mehr anstrengen würden, würden sie es auch zu etwas bringen". 11 Prozent antworten mit "teils/teils", 8,2 Prozent stimmen dieser Aussage zu. Die Ansicht, Schwarze seien "zu empfindlich, wenn von Rassismus in Deutschland die Rede ist", stimmen 16 Prozent zu. Hier antworten 26 Prozent mit "teils/teils". 58 Prozent lehnen diese Aussage ab.

Ein Drittel vertraut lieber Gefühlen als Experten

Die Studie belegt zudem die Anfälligkeit einer Minderheit für Verschwörungsmythen. 22,9 Prozent sagen, es gebe "geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben", 24,8 Prozent sagen zu dieser Aussage "teils/teils". 32,3 Prozent stimmen der Aussage zu "Ich vertraue meinen Gefühlen mehr als sogenannten Experten", 33,8 Prozent sagen hier "teils/teils". Dass Medien und Politik unter einer Decke stecken, glauben 24,2 Prozent, "teils/teils" sagen 22,7 Prozent dazu.

"Gefordert" ist die Mitte nach Auffassung des Autorenteams durch ganz unterschiedliche Herausforderungen: "durch politische, ökonomische, soziale, ökologische und - mit Blick auf die Pandemie - massive gesundheitsgefährdende Belastungen", wie Zick in der Studie schreibt. Er sieht die Mitte zugleich aufgefordert, sich diesen Herausforderungen zu stellen. "In diesem Sinne ist die Mitte so stark gefordert wie nie zuvor und muss dabei an ihrem eigenen Anspruch gemessen werden": Denn die absolute Mehrheit von 72,1 Prozent sage von sich, sie seien überzeugte Demokraten. Nur 9,4 Prozent weisen das zurück.

Die Umfrage wurde im Dezember 2020 und im Januar 2021 telefonisch durchgeführt, befragt wurden 1750 Personen, davon 60 Prozent am Festnetz und 40 Prozent mobil.

Quelle: ntv.de, hvo

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