Wer zahlt für Klimaschäden? Die Welt verhandelt über die Billionen-Rechnung
07.11.2022, 11:40 Uhr
Der globale Süden leidet schon heute massiv unter den Schäden, die der Norden verursacht hat.
(Foto: AP)
"Loss and Damage" - unter diesem Stichwort diskutiert die Weltklimakonferenz in Ägypten, wer die Zeche für Schäden durch den Klimawandel bezahlt. Ein erster Erfolg ist dabei, dass dies überhaupt Thema ist. Bis zur Einrichtung eines eigenen Fonds dürfte es aber noch ein weiter Weg sein.
Der Umgang mit Schäden und Verlusten, die der Klimawandel jetzt schon in aller Welt verursacht, zählt bei der UN-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich zu den Knackpunkten der Verhandlungen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz lenkt den Blick am Dienstag bei einer Veranstaltung mit Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo auf dieses Thema, das die Verhandler unter dem Stichwort "Loss and Damage" - kurz: L&D - diskutieren. Ein Überblick über Inhalte und Stand der Verhandlungen:
Worum geht's?
Bei den UN-Klimakonferenzen stehen der Kampf gegen die Ursachen des Klimawandels und Maßnahmen zur Anpassung an die Erderwärmung im Vordergrund. Insbesondere Entwicklungsländer und kleine Inselstaaten weisen schon seit Jahren darauf hin, dass sie die Auswirkungen der Erderhitzung bereits deutlich zu spüren bekommen.
Sie fordern daher zusätzliche Finanzhilfen der Industriestaaten. Schließlich werden die Schäden durch zunehmende Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren immer größer - und das vor allem im globalen Süden, obwohl dieser am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen hat.
Zunehmende Klimaschäden führen zu einer wachsenden Verschuldung der Entwicklungsländer und einem erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten wegen ihrer Klimarisiken. Vielen Entwicklungs- und Inselstaaten werde so "der Hals komplett zugedrückt durch die Klimakrise", sagt Sabine Minninger von Brot für die Welt.
Entwicklungsländer und NGOs verweisen mit Blick auf die massiven Treibhausgasemissionen der Industriestaaten immer wieder auf das Verursacherprinzip. Die Industrieländer, allen voran die USA, fürchten, zu enormen Klima-Reparationszahlungen verpflichtet zu werden, und treten daher bei den Verhandlungen auf die Bremse.
Um welche Summen geht es?
Allein die V20-Gruppe aus 58 besonders gefährdeten Staaten beziffert ihre Kosten in den vergangenen 20 Jahren auf 525 Milliarden Dollar (587,3 Milliarden Euro). Laut einer Studie der London School of Economics könnten die klimabedingten Schäden und Verluste bis 2050 auf eine bis 1,8 Billionen Dollar jährlich steigen.
Was wurde bis jetzt erreicht?
Bei der COP 2013 in Warschau wurde der Internationale Warschau-Mechanismus zu Loss and Damage (WIM) geschaffen, um zumindest den Erfahrungsaustausch und das Zusammentragen von Wissen über das Thema zu fördern. 2019 wurde das Santiago Loss & Damage Network gegründet, das technische Unterstützung bei der Bewältigung klimabedingter Schäden in Entwicklungsländern leisten soll. Damit dieses Netzwerk seine Arbeit tatsächlich aufnehmen kann, müssen in Scharm el-Scheich noch letzte Fragen wie die Einrichtung eines Sekretariats geklärt werden.
Bei der COP26 vergangenes Jahr in Glasgow konnten sich die Entwicklungsländer und kleinen Inselstaaten nicht mit ihrer Forderung nach einem L&D-Finanzierungsmechanismus durchsetzen. Auf Druck der USA und anderer Industriestaaten wurde als Minimalkompromiss nur der "Glasgow Dialogue" beschlossen. Er soll einen Rahmen für die Diskussion über L&D-Finanzierungsmaßnahmen mit jährlichen Sitzungen bis 2024 bieten. Es fehlt allerdings an klar definierten Zielsetzungen dieses Dialogs.
Zusätzlich dazu haben die G7 dieses Jahr unter deutschem Vorsitz den Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken gegründet. Dieser "Global Shield" soll Aktivitäten im Bereich der Klimarisikoabsicherung und -vorsorge bündeln und die schnelle Auszahlung von Hilfen ermöglichen. Deutschland will in Scharm el-Scheich für diese Initiative werben. Außerdem wird damit gerechnet, dass die Bundesregierung auf der COP27 einen zweistelligen Millionenbetrag für den "Global Shield" zusagt.
Was wird von der COP27 erwartet?
Ein erster Fortschritt war, dass zu Konferenzbeginn Loss and Damage als eigener Punkt auf der Verhandlungsagenda verankert wurde. Ein "maximaler Erfolg" bei dem Thema wäre aus Sicht von Sven Harmeling, L&D-Experte der Hilfsorganisation Care, ein Grundsatzbeschluss, einen eigenen Fonds für Loss and Damage auszuarbeiten.
Darum wird allerdings hart gerungen werden und insbesondere die USA werden sich dem entgegenstellen. Denkbar ist, dass eine Art Gruppe der Willigen in der Sache vorangeht. Mit von der Partie könnte Dänemark sein, das als erster Staat konkrete Finanzzusagen für die Bewältigung klimabedingter Schäden gemacht hat, sowie Kanada, das sich immerhin grundsätzlich zu solchen Zahlungen bereit erklärt hat.
Auch Deutschland mit seinen Initiativen zur Bewältigung von Klimarisiken könnte eine wichtige Rolle spielen. Die deutsche Außen-Staatssekretärin Jennifer Morgan wurde vorab mit Chiles Umweltministerin Maisa Roja zur Vermittlerin bei den UN-Verhandlungen zu Loss and Damage ernannt.
Quelle: ntv.de, Yvonne Brandenberg, AFP