BND-NSA-Spionageaffäre Druck auf Bundesregierung wächst
03.06.2015, 13:59 Uhr
Auch Merkels Handy wurde von der NSA abgehört. Dennoch gibt es Zweifel an ihrem Aufklärungswillen.
(Foto: dpa)
Um die US-Spionagelisten gibt es seit Wochen heftiges Gerangel. Mehrere Parlamentsgremien fordern Einsicht in die Unterlagen. Nun setzt auch eine Kontrollkommission ihren Hebel an. Das könnte für den BND unangenehm werden.
Im Streit über die Vorlage der US-Spionagelisten macht nun auch die G-10-Kommission zur Kontrolle der Geheimdienste Druck auf die Bundesregierung. Das geheim tagende Gremium prüft und genehmigt Überwachungsaktionen der deutschen Nachrichtendienste. Die Runde hat bereits die Bewilligungen für mehrere Abhöraktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND) befristet. In einer Sitzung will die Kommission noch heute über das weitere Vorgehen beraten. Im Raum steht die Drohung, bestimmte Späh-Anträge des BND gar nicht zu genehmigen. Auch weitere Befristungen von Abhöraktionen sind demnach denkbar.
Die G-10-Kommission ist ein kleines Gremium mit nur vier Mitgliedern plus vier Stellvertretern. Es sind zum Teil Parlamentarier, zum Teil Ex-Abgeordnete und Juristen, die Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste bewilligen müssen - sofern Deutsche betroffen sind. Sie sind besonders vor Ausspähung geschützt. Geregelt ist dies im Artikel 10 des Grundgesetzes - daher der Begriff G-10-Kommission.
Hintergrund für die harte Gangart des Gremiums ist die Forderung, die Liste mit unzulässigen Spähzielen des US-Geheimdienstes NSA einzusehen. Der BND soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern, die gegen deutsche und europäische Interessen verstießen.
Berlin wartet auf Erlaubnis
Neben der G-10-Kommission fordern auch der NSA-Untersuchungsausschuss und das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages seit Wochen Einsicht in die US-Selektorenlisten - bislang erfolglos. Die Bundesregierung hält die Unterlagen unter Verschluss und wartet auf eine Erlaubnis der Amerikaner, die Listen den Parlamentsgremien zugänglich zu machen.
Die "Süddeutsche Zeitung" und die "Welt" hatten als erste über die Drohungen des Gremiums berichtet. Sie meldeten, die Kommission habe ein Ultimatum an die Regierung gestellt: Entweder die Runde bekomme Einblick in die Listen mit den unzulässigen Selektoren oder sie erteile keine weiteren Genehmigungen mehr für Abhöraktionen des BND. Insider halten es aus Sicherheitsgründen aber für unwahrscheinlich, dass die Kommission gleich alle Überwachungsmaßnahmen des BND, die unter das G-10-Gesetz fielen, untersagen könnte. Denkbar sei dies eher für einzelne Aktionen - oder aber eine weitere Befristung.
Quelle: ntv.de, dsi/dpa