Streit um Rechtsstaatlichkeit EU bringt Konflikt mit Polen vor den EuGH
15.02.2023, 18:06 Uhr
Auch gegen die Bindungswirkung von Urteilen des EuGH habe Polen verstoßen, lautet ein Vorwurf der Kommission.
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Schon lange ist der EU-Kommission der Umgang Polens mit europäischen Vorgaben ein Dorn im Auge. Nachdem das Land im vergangenen Jahr unter anderem den Vorrang von EU-Recht infrage stellt, eskaliert der Streit. Mit einer Klage wendet sich die Kommission nun an den Obersten Gerichtshof.
Im Streit mit Polen über die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit hat die EU-Kommission Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eingereicht. Ausgelöst wurde der Schritt durch Urteile des polnischen Verfassungsgerichts vom Juli und Oktober vergangenen Jahres, mit denen Vorgaben von EU-Verträgen als verfassungswidrig eingestuft und ausdrücklich der Vorrang von EU-Recht vor nationalem Recht infrage gestellt wurde. Die EU-Kommission erklärte, mit diesen Entscheidungen habe das polnische Verfassungsgericht gegen allgemeine Grundsätze verstoßen - wie den Grundsätzen der einheitlichen Anwendung von Unionsrecht und der Bindungswirkung von Urteilen des EuGH.
Die seit 2015 in Polen amtierende nationalistische und euroskeptische Regierung liegt mit der EU in größerem Stil in Fragen der Rechtsstaatlichkeit über Kreuz. Der Konflikt hat bereits dazu geführt, dass die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet und Gelder zurückgehalten hat. Im September hatte die Regierung in Warschau die Vorwürfe der EU-Kommission, die nun zu der Klage geführt haben, zurückgewiesen.
Das polnische Verfassungsgericht selbst hatte Anfang Oktober unterstrichen, dass es das Recht habe, nicht nur die Verfassungsmäßigkeit des EU-Rechts zu überprüfen, sondern auch die Urteile des EuGH. Die EU-Kommission erklärte, nach Änderungen am Verfassungstribunal durch die Regierungspartei PiS entspreche das Gremium nicht mehr den Anforderungen eines unabhängigen und unparteiischen Tribunals. Dies sei auf Unregelmäßigkeiten bei Ernennungsverfahren von Richtern Ende 2015 und der Auswahl des Vorsitzenden Ende 2016 zurückzuführen.
Da es ein früheres Urteil des EuGH über das Disziplinarsystem für Richter nicht umsetzte, zahlt Polen bereits seit November 2021 eine Geldstrafe von einer Million Euro täglich. Mit der nun durch die EU-Kommission angestrengten Klage drohen dem Land weitere Geldstrafen.
Quelle: ntv.de, lno/rts