Politik

Reform des Sexualstrafrechts "Ein klares Signal an mögliche Täter"

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(Foto: picture alliance / dpa)

In Deutschland gilt nach dem Prinzip "Nein heißt Nein" künftig ein strenges Sexualstrafrecht. Die deutsche Presse sieht in der Reform einen wichtigen Schritt - besonders für Frauen. Gleichzeitig bedauert sie, dass die Silvesternacht von Köln ihr Auslöser sein musste. Auch die Verknüpfung des Sexualstrafrechts mit dem Asylrecht wird thematisiert und wirft Fragen der Verhältnismäßigkeit auf.

Für die Neue Ruhrzeitung lässt sich das Problem sexualisierter Gewalt nicht allein mit juristischen Instrumenten bekämpfen. Denn: "Noch immer haben alte Rollenmuster Bestand, noch immer werden Übergriffigkeiten etwa beim Karneval oder beim Oktoberfest gesellschaftlich als eine Art Brauchtumspflege akzeptiert, noch immer ist Gewalt in deutschen Schlafzimmern an der Tagesordnung, noch immer betrachten manche Männer Frauen in freizügiger Kleidung als Freiwild." Für die Kommentatoren wird sich an dem Problem solange nichts ändern, wie sich der Protest gegen Anzüglichkeiten, Antatschereien, Belästigungen und Missbrauch erst dann auf breiter Front Bahn bricht, wenn Flüchtlinge und Zuwanderer die Täter sind.

Auch die Kommentatoren der Landeszeitung greifen die Ursache für die Reform des Sexualstrafrechts auf. "Es ist gut, dass Frauen endlich ein vollständiges Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper zugebilligt wird. Es ist bitter, dass dazu die Horrornacht von Köln notwendig war." Für die Zeitung aus Lüneburg ist es nachvollziehbar, dass in dem Entsetzen nach Silvester ein Instrument geschmiedet wurde, um Taten aus einem Mob heraus bestrafen zu können, wie er sich auf dem Kairoer Tahrir-, aber auch auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz findet. "Keiner Frau, die einem Mob ausgeliefert war, kann zugemutet werden, einzelne Taten den Individuen zuordnen zu müssen." Zu befürchten sei, dass Karlsruhe den Gruppentaten-Passus kippt.

Für die Neue Presse lebt jeder im falschen Jahrhundert, der glaubt, man dürfe einer Frau "einfach mal so" an die Brust oder unter den Rock greifen. "Auf den letzten Metern hat die Union allerdings noch zwei Punkte in den Paragrafen 177 hineingeflickt. Zum einen geht es um die möglicherweise verfassungswidrige Regelung, dass bei Übergriffen aus einer Gruppe heraus die ganze Gruppe belangt werden kann. Diese 'Sippenhaft'  widerspricht dem in Deutschland geltenden Grundsatz, dass Schuld und Tatbeitrag des Einzelnen nachgewiesen werden müssen." Auch die Verknüpfung des Sexualstrafrechts mit dem Asylrecht sei zu Recht umstritten, urteilen die Kommentatoren aus Hannover. Natürlich sei es falsch, wenn Flüchtlinge Frauen angrapschen. Genauso falsch sei es aber, wenn sie wegen eines Busengrapschers ausgewiesen werden - das verbiete die Verhältnismäßigkeit.

"Erstmals wird das sexuelle Selbstbestimmungsrecht konsequent und umfassend im Strafgesetzbuch verankert." Das sei neu, und das sei ein wichtiger Schritt insbesondere für die Frauen, befindet die Ludwigsburger Kreiszeitung. "Ein Nein zu sexuellen Handlungen wird somit rechtlich viel ernster genommen werden, als das bisher der Fall gewesen ist." Und das wiederum sei ein klares Signal an mögliche Täter. "Darum geht es. Vielleicht setzt bei manchem ein Umdenken ein, womöglich nicht aus Unrechtsbewusstsein, aber aus Sorge vor Strafe."

Die Badische Neueste Nachricht sieht in dem Sexualstrafrecht eine Reform, die auch unter Juristen heftig umstritten ist. "Das 'Nein-heißt-Nein'-Prinzip, das dem Gesetz zugrunde liegt, geht weit über das hinaus, was das Justizministerium ursprünglich geplant hatte. Was die Neufassung wirklich bringt, wird erst die Praxis in den Gerichten zeigen." In der Kölner Silvesternacht jedenfalls habe nicht das Strafrecht versagt, sondern die Polizei, fassen die Kommentatoren zusammen.

Die Neue Osnabrücker Zeitung erwartet nicht, dass zukünftig mehr Täter verurteilt werden. "Seit 1997 ist die Zahl der Sexualdelikte übrigens um die Hälfte gesunken. Juristen halten es zudem für verfassungswidrig, wenn bei Sex-Attacken Teilnehmer einer Gruppe bestraft werden, ohne sich beteiligt zu haben." Die Kommentatoren fragen: "Warum gibt es die Reform überhaupt?" Anlass seien die Übergriffe der Kölner Silvesternacht gewesen. Anschließend habe sich die Debatte emotionalisiert mit dem nach wie vor ungeklärten Vergewaltigungsvorwurf des Models Gina-Lisa Lohfink. "Für das Verhältnis der Geschlechter könnte die Reform auch eine Last sein, weil Frauen möglicherweise am Tag danach definieren, was Leidenschaft und was Gewalt war."

Quelle: ntv.de, jki

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