CDU-Kandidat Voigt zu Thüringen "Ein krimineller Afghane muss abgeschoben werden"
21.08.2024, 07:09 Uhr Artikel anhören
Mario Voigt, 47, Chef der CDU Thüringen, möchte der nächste Ministerpräsident des Freistaates werden. Bis zum 1. September muss er dafür noch einen Endspurt hinlegen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am 1. September möchte Mario Voigt jubeln. Dann wählt Thüringen einen neuen Landtag - mit stabiler Mehrheit möchte der CDU-Landeschef dann der nächste Ministerpräsident werden. Doch die Lage ist knifflig, die Umfragen bewegen sich kaum. Warum er trotzdem an den Sieg glaubt, erklärt er im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Herr Voigt, Sie sind seit mehr als drei Monaten im Wahlkampf. Müssen wir Sie uns als frustrierten Menschen vorstellen?
Mario Voigt: Nein, im Gegenteil! Die Menschen merken, worum es bei der Wahl am 1. September geht, nämlich um den Politikwechsel für Thüringen - geht es nach vorn oder gibt's den Abstieg mit Höcke? Viele wollen, dass sich etwas ändert. Sie wollen, dass die Thüringer Themen angepackt werden - Unterrichtsausfall, die Gängelung der Wirtschaft und dass wieder Recht und Gesetz durchgesetzt werden. Das spielt uns in die Hände, denn dafür haben wir als CDU viele Lösungsangebote. Mir geht es gut, ich bekomme großen Zuspruch, hier bei uns in Thüringen scheint die Sonne.
In den Umfragen hat sich abgesehen vom Aufstieg des BSW in den vergangenen Monaten nichts getan. Wie erklären Sie sich das?
Es wird noch viel passieren. Die Menschen fragen sich, wie es weitergehen soll. Die SPD hat Rot-Rot-Grün für beendet erklärt. Damit ist allen klar: Entweder gibt es eine Regierung, die für Stabilität steht und aus der Mitte herausgeführt wird. Oder es gibt weiter Stillstand. Ich glaube, wir werden etwas Ähnliches sehen wie bei den Kommunalwahlen. Am Ende werden die Menschen fragen, wer die Thüringer Themen am besten anpackt. Da haben wir als CDU die besten Antworten, wie unser 100-Tage-Regierungsprogramm klar zeigt.
Haben Sie das Gefühl, Sie gewinnen Land gegen die Höcke-AfD?
Wir spüren eine große Enttäuschung der Menschen, wenn es um die demokratische Lösungsfähigkeit geht. Da ist etwas ins Rutschen geraten. Viele glauben nicht mehr daran, dass wir noch den Weg zum Guten einschlagen könnten. Viele haben das Gefühl, in Deutschland wird es von Tag zu Tag schlechter. Wir als CDU beschreiben aber nicht nur Probleme, sondern zeigen auch konkrete Lösungswege auf und packen an. Das haben wir beispielsweise bei der Migration oder der Wirtschaft gemacht. Da sprechen uns die Leute eine große Kompetenz zu.
Was würde in Thüringen passieren, wenn die AfD doch regieren und Höcke Ministerpräsident würde?
Niemand wird mit der AfD koalieren. Björn Höcke ist eine echte Gefahr und ein Chancentod für meine Heimat. Das würde massive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und unseren Arbeitsmarkt haben. Höcke hat keine Regierungsoptionen, und das ist gut so. Eine reine Proteststimme wird für Thüringen nichts ändern. Mit einer Stimme für die CDU ändert sich dagegen wirklich etwas und es geht nach vorn.
In Thüringen gibt es schon einen Landrat der AfD, in Sonneberg. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dessen Amtszeit?
Zunächst einmal: Bei den Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen im Frühjahr haben wir flächendeckend hinzugewonnen. Wir stellen jetzt die Oberbürgermeister von Erfurt, Weimar, Gera, Suhl, Altenburg und Eisenach. Das hat es so noch nicht gegeben. In vielen Landratsämtern und Rathäusern hat eine neue Generation übernommen und da gibt es regelrechte Aufbruchstimmung. Wir können dank unserer kommunalen Stärke die Dinge, die wir versprechen, auch durchsetzen. Den vollmundigen Versprechungen des AfD-Landrats in Sonneberg sind noch keine Taten gefolgt. Der CDU-Landrat Christian Herrgott im Saale-Orla-Kreis hingegen hat als Erster die Arbeitsverpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften durchgesetzt. Denn wer Sozialleistungen erhält, muss eine Gegenleistung erbringen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Da sind mittlerweile 100 Leute in der Maßnahme. Ein Drittel arbeitet schon in Vollzeit, das funktioniert. Die AfD redet immer viel, handelt aber nie. In Sonneberg ist nur eine Handvoll in der Arbeitsverpflichtung gelandet.
Ein ganz wichtiges Thema, das die Menschen interessiert, ist ausgerechnet der Ukraine-Krieg, mit dem die Landespolitik wenig bis nichts zu tun hat. Wie erklären Sie das den Menschen?
Der Wunsch nach Frieden trägt uns alle, auch mich. Diese Sorgen ernst zu nehmen, halte ich für sehr wichtig. Eine CDU-geführte Landesregierung würde in Berlin die Meinung der Thüringerinnen und Thüringer deutlich machen. Die diplomatischen Initiativen müssen deutlich hörbarer sein. Ich frage mich immer, was Frau Baerbock macht, außer durch die Welt zu reisen und Vorträge über ihre persönlichen Moralvorstellungen zu halten. Ihr Job wäre es eigentlich, eine gemeinsame europäische Position zusammenzubringen und zu formulieren. Man muss aber auch deutlich machen: Weltpolitik wird nicht im Thüringer Landtag entschieden. Das wissen die Thüringer auch.
Schadet Ihnen der Kurs der Bundes-CDU? Die ist klar pro Ukraine, klar pro Waffenlieferungen.
Die CDU ist die größte Friedenspartei in Europa. Frieden und Freiheit in der EU und in der NATO, das war immer der Maßstab der CDU, das war schon bei Helmut Kohl so. Es ist doch kein Zufall, dass Putin den Krieg begonnen hat, als die CDU nicht mehr in der Regierung war. Michael Kretschmer und ich machen auch auf Bundesebene deutlich, was Sachsen und Thüringer denken, und das wird gehört.
Das Thema Migration beschäftigt die Menschen. Auch Thüringen braucht Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Das sagt auch die CDU. Ist das schon zu ausländerfreundlich für Thüringen?
Nein, im Gegenteil. Wir sind weltoffen, hängen aber nicht die Tür zu unserer Wohnung aus. Wir entscheiden schon selbst, wer zu uns kommt. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was ungerecht ist. Beim Thema Bezahlkarte waren wir deutschlandweit mit einer Thüringer CDU-Landrätin die Ersten, die das umgesetzt haben. Andere sind uns gefolgt. Wir setzen uns auch für eine konsequente Rückführung ein. Daran mangelt es bei Links-Grün und der Ampel in Berlin.
Auch Thüringen kommt aber nicht ohne Zuwanderung von Fachkräften aus.
Wir brauchen vor allem Fachkräfte im medizinischen Bereich. Unter der links-grünen Regierung sind wir mittlerweile bundesweit die letzten bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen im medizinischen Bereich. Das dauert fast ein Jahr und schadet Thüringen. Fast jeder vierte Klinikarzt hier hat mittlerweile Migrationshintergrund. Wir brauchen eine konsequente Haltung gegenüber jenen, die sich hier ein besseres Leben wünschen und in den Sozialstaat einwandern. Auf der anderen Seite gibt es aber jene, die wir als Fachkräfte brauchen. Wir müssen beides kombinieren.
Sie plakatieren: Illegale Migration stoppen. Damit sind die Flüchtlinge gemeint, die nach Deutschland kommen. Aber wie wollen Sie das von Erfurt aus machen? Oder ist das eher als Aufruf an Berlin und Brüssel gedacht?
Migration löst man nicht nur durch Rückführungen, sondern indem man klarer begrenzt, wer zu uns kommt. Die Sachsen und die Bayern haben die Einführung von Grenzkontrollen durchgesetzt, mit spürbar deutlichen Effekten. Auch eine Thüringer Regierung kann mehr tun. Zum Beispiel mit der Bezahlkarte oder der Verpflichtung zur Arbeit. Die Ampel hat immer noch nicht begriffen, dass ihr Konzept verfehlt ist. Egal, wie du nach Deutschland kommst, du kannst bleiben - so geht es nicht. Wir brauchen eine klarere Kontrolle. Recht und Sicherheit müssen durchgesetzt werden. Das heißt auch, in bestimmte Regionen nach Syrien und Afghanistan wieder abzuschieben. Ein krimineller Afghane muss abgeschoben werden, das ist gar keine Frage.
Sie wollen Ministerpräsident werden - nur dazu brauchen Sie einen Koalitionspartner. Eine neue Möglichkeit wäre das BSW. Als wir im Mai gesprochen haben, sagten Sie, die Partei sei eine Blackbox. Man könne noch gar nicht sagen, wofür sie steht. Haben Sie neue Erkenntnisse gewonnen?
Grundlegend hat sich da gar nichts geändert. Solange Sahra Wagenknecht aus dem Saarland heraus die Ansagen für Thüringen macht, haben wir mit dem BSW keine Gesprächsgrundlage. Ich setzte mich aber gerne mit Frau Wolf (Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf, Anm.d.Red.) an den Tisch, um über die Thüringer Themen und die Lösungen dafür zu diskutieren. Jede zehnte Unterrichtsstunde fällt aus. Uns fehlen Hausärzte. Wirtschaftlich rutschen wir ab, sind wir auf dem letzten Platz in der Standortqualität, bei der Digitalisierung und ganz oben bei der Bürokratie. Das sind doch die Thüringer Themen, die wir lösen müssen. Je stärker die CDU wird, desto mehr können wir davon durchsetzen. Alles andere ergibt sich nach der Wahl.
Was sagen Sie zu Deals wie: In Thüringen wählt die CDU die BSW-Kandidatin zur Ministerpräsidentin, dafür wählt BSW in Sachsen Michael Kretschmer mit?
Das ist doch Unsinn, damit beschäftige ich mich gar nicht. Das BSW hat in Thüringen knapp 50 Mitglieder. Wir hatten allein bei der Kommunalwahl 4500 Kandidaten. Wenn Sie Politik machen und durchsetzen wollen, brauchen Sie eine starke Basis. Die haben wir, deswegen bin ich optimistisch, dass die CDU klar vorne liegt.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD soll es nicht geben. Aber wo fängt die an, wo hört die auf? Im vergangenen Jahr haben Sie ja schon gemeinsam die Grunderwerbsteuer gesenkt. Werden wir davon mehr sehen?
Mein Ziel ist eine Regierung mit einer stabilen Mehrheit. Da stellt sich die Frage gar nicht.
Aber wenn Sie sinnvolle Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall und Ärztemangel nur gemeinsam mit der AfD beschließen könnten, was wäre denn dann?
Noch einmal: Wir wollen eine stabile Regierung unter Führung der CDU bilden, damit wir in Thüringen wieder in ruhiges Fahrwasser kommen und es für unser Heimatland auch wieder nach vorne geht. Dafür brauchen wir die AfD nicht. Entscheidend ist es, die Themen der Menschen aufzugreifen. Auch die Themen von AfD-Wählern werden von einer CDU-geführten Regierung gesehen und ernst genommen.
Wie sähe denn Ihre Wunschkonstellation aus?
Das wäre, wie jeder weiß, eine Deutschlandkoalition gewesen. Aber ich trete nicht für Koalitionen an, sondern für eine starke CDU.
Die Ampel-Koalition hat viel Vertrauen verloren. Warum nützt Ihnen und der CDU das nicht mehr? Oder schadet es am Ende gar?
Die Ampel müsste eigentlich abtreten. Das ist doch nur noch ein Zweckbündnis. Grünen-Chef Nouripour hat selbst gesagt, es sei eine Übergangsregierung. Aber Verzeihung, dann sollten Sie lieber Platz machen. Deutschland hat keinen Tag zu verlieren. Wir sind wirtschaftlich massiv in der Schieflage. Da ist etwas ins Rutschen gekommen. Neuwahlen wären jetzt das Richtige. Wenn Thüringen mit einem starken CDU-Wahlergebnis einen Anstoß geben könnte, wäre das ein gutes Signal.
Mit Mario Voigt sprach Volker Petersen
Quelle: ntv.de