Eindringen, prüfen, zerstören Trump gibt Musk völlig freie Hand - und der schlägt zu
09.02.2025, 08:29 Uhr Artikel anhören
Sind offenbar auf einer Wellenlänge: Elon Musk und Donald Trump.
(Foto: REUTERS)
Sie behandeln den Staat wie ein Startup, kommen durch die Seiteneingänge der Regierungsgebäude, verschaffen sich größte Befugnisse und sensibelste Daten: Elon Musk und sein Team. Präsident Trump lässt ihnen freie Hand. Interessenkonflikte sind egal.
Kondome für die Hamas! Finanzierung einer Studie über Shrimps auf einem Laufband! Unterstützung für Drag-Shows, sogar in Ecuador! Es sind nur drei Dinge, die sich in den vergangenen Tagen rasend schnell unter Donald Trumps Anhängern verbreitet haben. Die Pressesprecherin des US-Präsidenten im Weißen Haus, Karoline Leavitt, behauptete ebenfalls, die USA hätten für 50 Millionen Dollar Präservative in den Gazastreifen geschickt. Das wären 1,5 Milliarden Kondome.
Unabhängig davon, ob diese Dinge erfunden sind (Shrimps), bis zur Legende verdreht (Kondome) oder die Wahrheit (Drag-Shows), sie verstärken den Eindruck: Die US-Regierung verschleudert Steuergelder. Aber jetzt wird endlich aufgeräumt, so der Tenor von Republikanern und deren Anhängern. Die zentrale Figur dabei ist allerdings nicht Trump, sondern sein Sonderbeauftragter Elon Musk, der Ausgaben mit seinem DOGE-Team zusammenkürzen und zugleich helfen soll, politischen Widerstand in den Behörden gegen Trump zu brechen.
Das US-Haushaltsdefizit ist in der Tat riesig, der Staat gab 2024 immense 36 Prozent mehr aus, als er einnahm. Donald Trump will sparen, das klingt logisch. Die Geschwindigkeit, Art und Weise jedoch, wie Trumps Sonderbeauftragter Musk vorgeht, lässt die Demokraten schockiert zurück. Der Präsident flankiert den Milliardär mit Dekreten aus dem Oval Office. "Ich bin sehr stolz auf die Arbeit, die diese jungen Leute leisten", sagte Trump am Freitag. "Sie tun es auf mein Drängen hin." Musk solle "alles überprüfen".
Eine ganze Schar an Historikern, Juristen und anderen Experten ist sich einig, dass Musk und seine Mitarbeiter mit ihrem "DOGESTURM", wie es der Fernsehsender Fox News nennt, mindestens am Rande des gesetzlichen Erlaubten oder schlicht illegal handeln. Denn üblicherweise wird die Führungsebene der Behörden und Ministerien ausgetauscht, die dann sparen, umstrukturieren, Prioritäten setzen. DOGE verschafft sich auf anderem Wege Zugang: Musks Team nimmt den Seiteneingang, setzt sich praktisch selbst mit allen Kompetenzen auf die nötige Personalliste.
Für Verwaltungsfirlefanz keine Zeit
Laut der "New York Times" haben sich Musks größtenteils junge Helfer bereits Zugang zu den Daten von mindestens 17 Ministerien oder anderen Bundesbehörden verschafft. US-Medien haben unter anderem über folgende Schritte berichtet:
- DOGE hat Zugriff auf das staatliche Zahlungssystem des Finanzministeriums, für Steuererstattungen, Sozialleistungen, Löhne und Gehälter von Staatsbeschäftigten; und damit auf sämtliche Daten, Namen, Sozialversicherungsnummern, Konten und vieles mehr. Sie könnten damit nach Gutdünken den Geldhahn abdrehen.
- Etwa zwei Millionen Staatsbeschäftigten wurde die Kündigung angeboten; sie würden ab sofort nicht mehr arbeiten müssen, aber noch bis September bezahlt werden. Die Beschäftigten stünden politisch "mit überwältigender Mehrheit links von der Mitte", sagte Trumps Top-Berater Stephen Miller. Die Kündigungen seien "essenziell, um die Regierung unter Kontrolle zu bekommen".
- Sämtliche internationalen humanitären Hilfsprogramme der unabhängigen Behörde USAID wurden gestoppt; die mehr als 10.000 Beschäftigten und Auftragnehmer sollen auf 300 Mitarbeiter verringert und ins Außenministerium eingegliedert werden. Dies darf eigentlich nur der Kongress.
- In 17 Behörden wurde die jeweilige Aufsichtsperson (Inspector General) gefeuert, ohne wie vorgeschrieben den Kongress zu informieren. Inspector Generals sind unabhängige Kontrolleure, die Korruption, Betrug und Verschwendung verhindern sollen.
- Musks Team setzte die eigene interne Kommunikation aus, deren Inhalt Journalisten später mithilfe des Transparenzgesetzes hätten anfordern können. Stattdessen soll der Schutz für die präsidentielle Kommunikation auch für DOGE gelten.
- Das DOGE-Team hat Zugang zu den Daten der "General Services Administration" (GSA). Diese verwaltet etwa die staatlichen Immobilien, macht Anschaffungen, kümmert sich um die IT der Bundesbehörden. Die Kosten für die GSA sollen laut einem Memo um die Hälfte reduziert werden.
- Ebenfalls in Musks Hand sind die Daten des "Office of Personal Management" (OPM), das Personalwesen der Regierung. Trumps neue Führung der Behörde hat empfohlen, den Status aller IT-Chefs ("Chief Information Officer") in Behörden in eine politische Position zu verwandeln. Bislang sind sie unabhängig vom Weißen Haus tätig und damit auch in ihren Entscheidungen, etwa über Datenschutz.
Musks Motivation ist nicht eindeutig, ein Eigeninteresse allerdings nicht zu übersehen: Im vergangenen Jahr schlossen seine Unternehmen fast 100 Verträge im Wert von drei Milliarden Dollar mit US-Behörden ab. Der Superreiche könnte in seiner Position zum eigenen Vorteil handeln, Aufträge an Konkurrenten kappen und seinen Unternehmen wie SpaceX oder Tesla zuschanzen, Förderungen beeinflussen, staatliche Stellen privatisieren und vieles mehr. Ein gigantischer Interessenkonflikt? Trump ließ wissen: Das entscheidet Musk selbst. Für Verwaltungsfirlefanz hat das disruptive Duo keine Zeit.
DOGE, das Department of Government Efficiency, das wie ein Ministerium heißt, aber keines ist, besteht im Grunde aus Musk und einer Ansammlung von Zeitarbeitskräften ohne klare Befugnisse. Die sonst üblichen Sicherheitsüberprüfungen, um mögliche Einflussnahme fremder Regierungen oder anderer Interessenvertreter aufzudecken, haben die selbst ernannten Effizienzexperten ebenfalls nicht durchlaufen.
Kampf um Kontrolle vor Gerichten
Bei DOGE helfen auch Personen mit, die Musk bereits bei der Transformation von Twitter zu X zur Seite standen. Der Milliardär hatte die Plattform 2022 gekauft, umbenannt, 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter rausgeschmissen, X nach seinen Vorstellungen der freien Rede ummodelliert und damit dem Hass überlassen. Das ehemalige Twitter ist zu einer düsteren Schlangengrube aus Rechten, Lügen und Verschwörungstheorien geworden.
Wie weit werden Trump und Musk mit der US-Verwaltung gehen können? Gegen viele der bisherigen Schritte haben Bürgerrechtler, Gewerkschaften, Politiker und andere Klagen eingereicht. Richter haben manche DOGE-Entscheidungen ausgesetzt, aber das letzte Wort ist nicht gesprochen. Solche Urteile benötigen ihre Zeit. Womöglich werden DOGE und Co. bis dahin auf anderen Wegen erreicht haben, was sie wollen.
Ein Richter ordnete etwa an, das DOGE-Team müsse eventuell kopierte Daten des staatlichen Zahlungssystems wieder vernichten. Nichts ist einfacher, als eine solche Anordnung still und heimlich zu umgehen. Politikwissenschaftler nennen eine permanente Verquickung von Wirtschaft und Politik auch "state capture", also Staatsvereinnahmung. Es ist die institutionalisierte Korruption.
Seit Donnerstag können Trump und Musk auf einen mächtigen Helfer zählen. Der Kongress hat Russell Vought als Chef des Büros für Management und Haushalt bestätigt. Vought ist Vordenker des berühmt-berüchtigten "Project 2025", ein konservatives Wunschprogramm für radikalen Staatsumbau. Er soll helfen, Regierung und Behörden zu trimmen.
Rassismus ist egal
Die neue US-Regierung funktioniert derzeit wie ein Startup. Musk schart Leute um sich, die mit politischer Verantwortung nichts zu tun hatten. Etwa der 19-jährige Edward Coristine mit dem Online-Nickname Dicke Eier ("Big Balls"). Coristine ist bei Anrufen dabei, in denen Regierungsmitarbeiter ihre Tätigkeit verteidigen müssen oder prüft Programmiercode, schreibt "Wired". Sicherheitsexperten sagten dem Magazin: Durchliefe Coristine die sonst üblichen Sicherheitsprüfungen, würden ihn seine vorherigen Tätigkeiten für solche Freigaben disqualifizieren.
Oder Marko Elez, ein 25-jähriger Software-Ingenieur, der zuvor bei SpaceX und X tätig war und Zugriff auf das Zahlungssystem des Finanzministeriums hat. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" über rassistische Äußerungen kündigte Elez am Donnerstag. Dem Bericht zufolge hatte er vergangenen Juli bei X geschrieben: "Ich war schon Rassist, bevor es cool war." In einem anderen Posting forderte er die Anwendung der Rassenlehre: "Ich möchte nur eine eugenische Einwanderungsregelung, ist das zu viel verlangt." Auch meinte er, für kein Geld der Welt würde er "außerhalb meiner Ethnie heiraten". Vizepräsident JD Vance und Trump stellten sich einen Tag später auf Elez' Seite. Musk stellte ihn wieder ein.
Trump und Musk ergänzen sich mit ihren Vorgehensweisen. Der Präsident macht es wie bei seinen Unternehmen: Er macht, was er möchte. Nur Gerichte können ihn einfangen. Der Supreme Court hat mit seinem Immunitätsurteil ohnehin einen gigantischen Blankoscheck an Trump ausgestellt. Musk geht ähnlich wie sein neuer Chef vor, aber nach dem Silicon Valley Prinzip: niederreißen, um für den eigenen Profit neu zu bauen. Sich erst um Datenschutz, Gesetze und anderes kümmern, wenn dieses Ziel bedroht ist.
So haben viele Silicon Valley Schwergewichte, die sich nun um Trump scharen, angefangen. Bekannte Beispiele sind Uber gegen Taxis, Krypto gegen Banken, Airbnb gegen Hotels oder Amazon gegen die Buchgeschäfte. Jetzt versucht es Elon Musk mit den Vereinigten Staaten.
Quelle: ntv.de