"Diebstahl an den Urnen" Erdogan meldet Betrug bei Istanbul-Wahl
08.04.2019, 13:11 Uhr
Erdogan vor einem Wahlplakat des AKP-Kandidaten Yildirim
(Foto: picture alliance/dpa)
Überraschend und denkbar knapp gewinnt ein Oppositionskandidat die Bürgermeisterwahl in Istanbul. Staatschef Erdogan teilt nun mit, dass bei der Wahl betrogen worden sei. Es gebe Beweise. Derweil darf ein deutscher Journalist in die Türkei zurückkehren.
Rund eine Woche nach der Kommunalwahl in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan die Abstimmung in Istanbul als regelwidrig bezeichnet. Seine Regierungspartei AKP habe festgestellt, dass es ein "organisiertes Verbrechen" bei der Wahl gegeben habe, sagte Erdogan in Istanbul vor einer Reise nach Moskau. Entsprechende Dokumente habe man der Hohen Wahlkommission vorgelegt. Es gebe auch Kameraaufnahmen, die zeigten, "wo, wie und welche Art von Veruntreuung begangen wurde". Er sprach außerdem von "Diebstahl an den Urnen", ohne genauer darauf einzugehen.
Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Bürgermeisterwahl in Istanbul am 31. März nach vorläufigen Ergebnissen mit einem hauchdünnen Vorsprung vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim gewonnen. Erdogan sagte weiter, "in Istanbul, wo es mehr als zehn Millionen Wähler gibt, hat wohl keiner das Recht und die Befugnis, sich mit einem Unterschied von 13.000 oder 14.000 Stimmen als Sieger aufzuspielen."
Die AKP hatte am Sonntag bei der Hohen Wahlkommission (YSK) eine Neuauszählung aller Stimmen in 38 Wahlbezirken Istanbuls beantragt. In einem Bezirk verlangte die AKP die Annullierung des Wahlergebnisses. Die Entscheidung der YSK stand noch aus. Bereits nach Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse hatte die AKP bei lokalen Wahlbehörden eine Neuauszählung in einigen Bezirken Istanbuls erwirkt. In diesen noch laufenden Zählungen führt Imamoglu mit rund 16.000 Stimmen vor Yildirim.
"Tagesspiegel"-Korrespondent kehrt heim
Derweil wurde bekannt, dass der langjährige Türkei-Korrespondent Thomas Seibert nach dem Streit um seine Presse-Akkreditierung wieder aus dem Land berichten darf. Die Regierung in Ankara hat dem Journalisten jetzt doch die Akkreditierung gewährt und ihn eingeladen, ins Land zurückzukehren, wie der Korrespondent des Berliner "Tagesspiegel" der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Vier Wochen nach seiner Ausreise sei er am Wochenende wieder in Istanbul eingetroffen, wo er seit 1997 lebt und arbeitet. "Ich freue mich, dass alle Missverständnisse nun ausgeräumt sind", hob Seibert hervor.
Seibert und der ZDF-Korrespondent Jörg Brase hatten die Türkei am 10. März verlassen müssen, weil ihre Anträge auf Verlängerung ihrer Presse-Akkreditierung abgelehnt worden waren. Der Leiter des ZDF-Studios in Istanbul erhielt bereits zwei Tage später eine neue Akkreditierung und kehrte daraufhin in die Türkei zurück.
Der Entzug der Akkreditierung für die beiden Korrespondenten hatte für diplomatische Verstimmungen zwischen Berlin und Ankara gesorgt. Am Donnerstag war Maas am Rande des Nato-Außenministertreffens in Washington mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zusammengekommen. In dem Gespräch ging es nach seinen Angaben auch um "Akkreditierungsfragen für Journalisten".
Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP