Anhörung vor Istanbuler Gericht Erneuter Haftbefehl gegen Deniz Yücel
18.05.2023, 19:38 Uhr Artikel anhören
Yücel saß bereits von 2017 bis 2018 rund ein Jahr in einem Hochsicherheitsgefängnis nahe Istanbul.
(Foto: picture alliance / Presse- und Wirtschaftsdienst)
Seit Jahren muss sich der Journalist Deniz Yücel vor türkischen Gerichten verantworten. In einem noch schwelenden Verfahren geht es unter anderem um mutmaßliche Beleidigung von Präsident Erdogan. Nun erlässt ein Istanbuler Gericht Haftbefehl, um an eine Aussage Yücels zu kommen.
Ein türkisches Gericht hat erneut einen Haftbefehl gegen den Journalisten Deniz Yücel verhängt. Die Entscheidung erging in einem Verfahren, in dem Yücel Beleidigung des Präsidenten sowie Verunglimpfung des türkischen Staates und der Justiz vorgeworfen werde, teilte sein Anwalt Veysel Ok mit. Der "Welt"-Korrespondent lebt in Deutschland und erfuhr von der Verhängung des Haftbefehls demzufolge hierzulande. Er besitzt die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft.
Mit dem Haftbefehl soll laut "Welt" eine Vorstellung Yücels bei den Justizbehörden in der Türkei erzwungen werden, damit der Journalist im Verfahren aussagt oder von seinem Recht auf Verweigerung einer Aussage Gebrauch macht. Dem Springer-Medium zufolge hatte sich das türkische Justizministerium zuvor geweigert, den Antrag auf Abgabe einer Aussage Yücels in Deutschland zu bearbeiten.
Das Gericht in Istanbul argumentierte türkischen Medien zufolge indessen, Yücel habe in Deutschland nicht erreicht werden können, die deutsche Regierung habe ein Rechtshilfegesuch dem Vernehmen nach zurückgewiesen. Den Medien zufolge lehnte das Gericht das Ersuchen von Yücels Anwältin vor Ort ab, das Dokument erneut nach Deutschland zu schicken.
PEN fordert Einstellung des Verfahrens
Die Vorwürfe gegen Yücel beziehen sich laut der Anwaltsvereinigung MLSA auf Inhalte aus von ihm verfassten Artikeln. Darin habe er Erdogan etwa einen "Putschisten" genannt. Die Schriftsteller-Vereinigung PEN fordert die sofortige Einstellung der Verfahren gegen ihren Co-Sprecher Yücel. Der Prozess in Istanbul soll am 17. Oktober fortgesetzt werden.
Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert. Erst nach einem langen politischen Tauziehen zwischen Ankara und Berlin kam Yücel frei und konnte ausreisen - gleichzeitig wurde Anklage erhoben. Im Juli 2020 wurde er in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu rund zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Im Januar 2022 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen der Inhaftierung Yücels verurteilt und entschieden, dass das Vorgehen seine Menschenrechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung verletzt habe.
Yücels Anwalt Veysel Ok kündigte nun nach Verhängung des Haftbefehls gegenüber der "Welt" an, er werde das Ministerkomitee des Europarats über den Haftbefehl informieren. Beim Europarat, zu dessen Mitgliedsstaaten auch die Türkei gehört, ist auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angesiedelt.
Quelle: ntv.de, mpe/dpa