Christian Berkel bei Klamroth "Es fängt immer mit der Sprache an"
05.03.2019, 16:19 Uhr
Bei "Klamroths Konter" ist Schauspieler Christian Berkel zu Gast. In seinem Roman "Der Apfelbaum" hat er seine jüdische Familiengeschichte verarbeitet - und gerät so ins Visier von Antisemiten. Dass die Menschen in Zeiten der Großen Koalition Politik als beliebig begreifen, mache es Parteien wie der AfD leicht.
Schauspieler und Schriftsteller Christian Berkel hat in der n-tv Sendung "Klamroths Konter" von gegen ihn gerichteten antisemitischen Anwürfen berichtet. Auf einer in den USA betriebenen Internetseite werde er als "Verräter an der weißen Rasse" geführt. "Ich bin fassungslos gewesen und wusste gar nicht, ob ich erschrecken oder lachen soll." In Deutschland seien neben ihm viele Politiker, Schauspieler und Künstler auf der Liste. "Und bei den Juden ist noch ein Judenstern dabei." Dabei sei er zuvor sicher gewesen: "Das wird in meinem Leben nicht stattfinden, dass ich auf irgendeiner Liste stehe mit Judenstern davor."
Berkel ist der Sohn einer jüdisch-polnischen Mutter und eines Berliner Arbeiters. Über seine Herkunft wurde er erst im Alter von sechs Jahren unterrichtet. Lange Jahre verdrängte er diesen Hintergrund, bis er sich schließlich doch auf Spurensuche begab. Er beschäftigte sich intensiv mit seiner Familiengeschichte, die er in seinem Roman "Der Apfelbaum" verarbeitete. "Durch das Schreiben ist mir klar geworden, es gibt auch die Existenz zwischen den Stühlen", sagt er bei "Klamroths Konter". Es müsse nicht zwangsläufig ein vorgeschriebener Platz da sein. "Insofern gibt es diese Eindeutigkeit bei mir nicht und ich fange langsam an, das als einen großen Vorteil zu begreifen."
Seit er sich mit der Geschichte seiner Familie, die er über drei Generationen nacherzählt, befasst, äußert sich Berkel immer wieder dezidiert zu politischen Themen - und ist so auch ins Visier von Antisemiten geraten. Angst vor Konsequenzen habe er nicht. "Ich habe nie darüber nachgedacht, ob es mutig oder nicht ist", wenn er sich politisch äußere.
"Die Leute nehmen keine Unterschiede mehr wahr"
Dass sich Antisemitismus in Europa wieder ausbreitet, macht Berkel Sorgen: "Es fängt immer mit der Sprache an. Der große Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien ist, der Diktator kündigt immer an, was er tun wird." Demokraten müssten "viel mehr taktieren" und Mehrheiten gewinnen. "Insofern muss man es sehr ernst nehmen, wenn Leute das plötzlich in der Sprache wieder einführen und wir keinen Widerstand leisten."
Berkel macht für die Zeiten, in denen Antisemitismus wieder Raum greift, auch das lange Bestehen der Großen Koalition verantwortlich. "Ich glaube, dass das, was im Moment passiert - mit der AfD zum Beispiel -, wirklich damit zu tun hat, dass die Leute keine Unterschiede mehr wahrnehmen. Und das macht es solchen Parteien leicht." Die Große Koalition hätte laut Berkel, auch wenn sie "eine Zeitlang sicher ganz gut gewesen" sei, "wahrscheinlich früher zu Ende gehen sollen".
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Quelle: ntv.de, jog