Politik

Habeck bei Markus Lanz "Es ist jetzt nicht die Zeit, über Frieden zu reden"

Habeck sagt:"Größte Sorge, dass es noch viel schlimmer werden kann."

Habeck sagt:"Größte Sorge, dass es noch viel schlimmer werden kann."

(Foto: picture alliance / Metodi Popow)

In der ZDF-Talkshow Markus Lanz wird ein Ende der Gewaltspirale in Gaza und Israel thematisiert. Dabei richtet sich die Schriftstellerin Deborah Feldmann mit einem beeindruckenden Appell für Frieden im Nahen Osten an die Politik. Vizekanzler Habeck gibt ihr zwar moralisch recht, sieht aber auch Gefahren.

Deborah Feldman lebt heute in Berlin, Aufsehen erregte die 37-Jährige mit einem Buch, in dem sie ihre Jugend in einer ultraorthodoxen jüdischen Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn schildert und das von Netflix zu einer Serie verarbeitet wurde. Die Familie gehört zur jüdischen Gruppierung Satmar, die unter anderem aus religiösen Gründen den Staat Israel ablehnt. Feldman nennt sich selbst eine liberale Jüdin. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz wendet sie sich mit einer beeindruckenden Friedensbotschaft an alle Menschen.

Die jüdisch-deutsch-amerikanische Autorin Deborah Feldman lebt seit 2014 in Berlin.

Die jüdisch-deutsch-amerikanische Autorin Deborah Feldman lebt seit 2014 in Berlin.

(Foto: picture alliance / Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa)

In der israelischen Gesellschaft fordern Angehörige von Geiseln ein Ende der Gewalt im Gazastreifen, sagt Feldman. "Es gibt eine erhebliche Stimme in der Diaspora, die nach einem Ende der Gewaltspirale schreit. Ich gehöre dazu." Und weiter: "Wir haben am Tag der Angriffe der Terrororganisation Hamas gesehen, dass die Menschen, die zur Zielscheibe des Terrors wurden, Menschen waren wie ich: offene, liberale, humanistische und friedliebende Menschen. Aber diese Menschen sind für das Vorgehen der rechtsnationalen Regierung in Israel ungünstig. Wenn die Familien der Opfer aufschreien, will man sie nicht hören. (...) Es wurde immer wieder gesagt, es gäbe keinen Kontext (Grund), keine Rechtfertigung, keine Erklärung für diese Gewalt gegen Israel", so Feldman.

"Im selben Atemzug wird gesagt, es gibt einen Kontext für die Gewalt gegen Palästinenser. Aber wir können nicht auf beiden Hochzeiten tanzen. Entweder gibt es keine Rechtfertigung der Gewalt gegenüber Zivilisten, oder wir müssen immer über den Kontext reden", sagt die 37-Jährige. Aus dem Holocaust gebe es für die Autorin nur ein einzige legitime Lehre: die absolute bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle. "Wer den Holocaust instrumentalisieren will, um weitere Gewalt zu rechtfertigen, hat seine eigene Menschlichkeit verwirkt. (...) Wenn diese Eskalation der Gewalt nicht beendet wird, erleben wir möglicherweise eine dramatische, gefährliche Entwicklung in unserer Gesellschaft und in der Welt, die wir nicht mehr in den Griff bekommen." Die Gäste bei Markus Lanz geben der Schriftstellerin zwar moralisch recht, doch es gibt auch Widerspruch.

"Ich kann mir das nicht zu eigen machen"

So stellt Wirtschaftsminister Robert Habeck klar: "Als Repräsentant dieses Landes kann es nicht meine Schlussfolgerung sein, dass man bei so einem fürchterlichen Angriff, bei dem Hinschlachten von Unschuldigen, bei dem brutalen Ausbruch von Gewalt sagt, darauf reagieren wir allein mit Friedfertigkeit." Israel habe das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen. Staatsräson bedeute, dass Deutschland Israel dabei unterstütze, zum Beispiel mit Waffenlieferungen. "Für einen deutschen Politiker geht es nicht, zu sagen: Das war schlimm, was die Hamas gemacht hat, aber Israel hat nicht das Recht, die Hamas zu zerstören. Sie als Schriftstellerin können das mit einer großen moralischen Klarheit und Härte einfordern, aber ich kann mir das nicht zu eigen machen. Als politische Haltung schließt sich das für mich aus", so Habeck.

Die Konfliktforscherin Florence Gaub ist sicher, dass es Menschen wie Deborah Feldman seien, die die intellektuelle Leistung erbringen könnten, in der Grauzone zu denken. Für diese Menschen sei es wichtig, nicht zwischen gut und böse zu unterscheiden, sie könnten dem Leid aller Raum lassen. "Frieden machen werden nicht die, die am lautesten schreien. Aber dafür ist jetzt noch kein Raum, denn noch ist alles zu frisch."

Das sieht Habeck ähnlich: "Ich glaube, es ist jetzt nicht die Zeit, über Frieden zu reden." Im Moment gebe es eher die Gefahr, dass andere Regierungen und militärische Gruppen in den Krieg eintreten. "Die Gefahr ist, dass wir dann nicht Frieden im Gazastreifen oder gar eine Zwei-Staaten-Lösung bekommen, sondern eine dramatische Ausweitung des Krieges. Denn selbst die liberalen Führer der arabischen Welt stehen unter einem massiven Druck von der Straße. Meine größte Sorge ist, dass es noch viel schlimmer werden kann."

Quelle: ntv.de

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