Nach Protesten aus Frankreich Europarat setzt Pro-Kopftuch-Kampagne ab
03.11.2021, 18:28 Uhr
Seit Jahrzehnten gibt es in Frankreich lebhafte Debatten um die Verschleierung.
(Foto: picture alliance / Frank May)
Mit einem Online-Projekt will der Europarat ein Zeichen gegen die Diskriminierung von Kopftuchträgerinnen setzen. Doch in Frankreich wird Protest gegen die Kampagne laut. Daraufhin zieht der Europarat die Tweets vorerst zurück.
Der Europarat hat eine Online-Kampagne gegen die Diskriminierung von Kopftuchträgerinnen nach scharfen Protesten aus Frankreich zurückgezogen. Die Tweets seien gelöscht worden und ihr Inhalt werde überdacht, die Präsentation des Projekts werde überarbeitet, teilte eine Sprecherin des Europarats mit. Sie zeigten die Fotomontage einer lächelnden jungen Frau, die links ein rosa Kopftuch zum weiten Umhang trägt und rechts rote Locken und eine Latzhose.
Frankreich hatte sich von den Tweets schockiert gezeigt und dem Europarat seine "extrem große Missbilligung" deutlich gemacht, teilte die französische Jugend-Staatssekretärin Sarah El Haïry mit. Daraufhin seien die Tweets zurückgezogen worden. Auf Twitter kursierten trotz der Zurückziehung Bilder und Aussagen, die anscheinend zur Kampagne gehörten. "Beauty is in diversity as freedom is in hijab", lautete eine Überschrift auf Englisch - etwa "Schönheit liegt in der Diversität, wie die Freiheit im Hijab". Der Hijab ist ein islamisches Kopftuch, das Haare, Ohren und Hals bedeckt.
Der Europarat versteht sich als "Hüter von Menschenrechten" und Demokratie. Mit Sitz im französischen Straßburg ist er gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union.
Im französischen Präsidentschaftswahlkampf stieß die Darstellung parteiübergreifend auf Protest. Die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen nannte die Kampagne "skandalös und unanständig". Millionen von Frauen lehnten sich gegen die "Unterwerfung" durch den Islam auf, argumentierte sie.
Kampagne mit 340.000 Euro gefördert
Außerdem Teil der Kampagne war ein Video, das einen Zusammenschnitt aus verschleierten und nicht verschleierten Frauen gezeigt hat. Laut Europarat will das Vorhaben Vielfalt und Integration fördern und Hass und Hetze bekämpfen. El Haïry sieht darin jedoch eine Ermunterung zum Kopftuchtragen im Rahmen von Identitätspolitik, wie sie auf Twitter schrieb. "Diese Position steht der Glaubensfreiheit, die Frankreich in allen internationalen Sphären verteidigt, diametral entgegen." In Frankreich gibt es seit Jahrzehnten heftige Debatten um Verschleierung.
Die Europäische Union hat das Projekt, das Online-Hass gegen Muslime und Juden bekämpfen soll, mit 340 000 Euro gefördert. Die einzelnen Bilder seien nicht abgesprochen worden. Bevor man das ganze Projekt verurteile, müsse man aber auf alle seine Teile schauen, hieß es.
Quelle: ntv.de, smu/dpa/AFP