Russen nehmen Atomkraftwerk ein Experte: Gezielter Angriff wäre Kriegsverbrechen
04.03.2022, 09:51 Uhr
Russische Streitkräfte nehmen das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja ein. Es ist ein Angriff in diesem Krieg, der auf juristischer Ebene gravierende Folgen nach sich ziehen kann. Vor allem für Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
Ein gezielter russischer Angriff auf ein ukrainisches Atomkraftwerk wäre nach Einschätzung des Völkerrechtlers Claus Kreß als Kriegsverbrechen einzuordnen. "Ein gezielter Angriff auf ein zivil genutztes Kernkraftwerk, ja, das wäre ein Kriegsverbrechen", sagte der Kölner Wissenschaftler im Deutschlandfunk. Ein solcher Fall fiele in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Kreß berät dort Chefankläger Karim Khan, der offizielle Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der von Russland angegriffenen Ukraine eingeleitet hat.
Bei den Ermittlungen gehe es in erster Linie um Taten vor Russlands laufendem "Gewalteinsatz", etwa auf der Krim seit 2014. "Es geht um den Verdacht zahlreicher Kriegsverbrechen und im Hinblick auf die Krim geht es auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Kreß. Das Verfahren werde aber auch etwaige aktuelle Kriegsverbrechen umfassen. Noch richte sich die Ermittlung nicht gegen einen konkreten Beschuldigten, wie etwa den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte Kreß.
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Wenn es später zu einem Haftbefehl komme, müsse dieser auch erst einmal von einem Staat vollstreckt werden. Er halte es deshalb für unrealistisch, dass Putin vor dem Weltstrafgericht auftreten müsse. Die Ukraine ist zwar kein Vertragsstaat des Weltstrafgerichts. Allerdings hat das Land in Erklärungen nach Angaben der Anklage die Zuständigkeit des Gerichts bei der möglichen Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf seinem Territorium seit November 2013 akzeptiert. Russland erkennt das Gericht nicht an.
In der Nacht zu Freitag war das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja nach Angaben einer regionalen Behörde von russischen Truppen eingenommen worden. Das Betriebspersonal überwache den Zustand der Kraftwerksblöcke, teilt die Behörde in sozialen Medien mit. Man wolle sicherstellen, dass der Betrieb in Europas größtem AKW weiterhin den Sicherheitsanforderungen entspreche. Nach ukrainischen Angaben hatten russische Streitkräfte das Kraftwerk im Südosten des Landes in den frühen Morgenstunden angegriffen. Dabei sei ein angrenzendes fünfstöckiges Schulungsgebäude in Brand geraten. Das Feuer sei aber inzwischen gelöscht.
Quelle: ntv.de, tno/dpa