Politik

BSW und die BundestagswahlFällt Entscheidung über Neuauszählung vor Weihnachten?

26.11.2025, 09:45 Uhr
imageVon Martin Debes
2025-11-10-Deutschland-Berlin-SPressekonferenz-Buendnis-Sahra-Wagenknecht-BSW-Im-Bild-v-l-Fabio-di-Masi-BSW-Europa-Abgeordneter-BSW-Gruenderin-Sahra-Wagenknecht-Co-Chefin-des-Buendnisses-Amira-Mohamed-Ali
Der Europaabgeordnete di Masi soll für Wagenknecht die Parteiführung übernehmen. (Foto: picture alliance / SZ Photo)

Sahra Wagenknecht drängt auf ein Votum der Bundestagswahlprüfer über das BSW-Veto, doch nur die AfD signalisiert Zustimmung. Über einen Vorgang, der in die Staatskrise führen kann.

Dem BSW geht es gerade nicht so gut. In Brandenburg sind mehrere Landtagsabgeordnete aus der Partei ausgetreten und bringen damit die Koalition mit der SPD in Gefahr. In Sachsen-Anhalt wogt ein Machtkampf zwischen den beiden Landeschefs und dem restlichen Vorstand. In Sachsen zieht sich mit Sabine Zimmermann die bekannteste BSW-Politikerin zurück. Und natürlich: Die Gründerin Sahra Wagenknecht gibt auf dem Parteitag Anfang Dezember den Vorsitz ab.

Entsprechend übersichtlich gestaltet sich die Umfragelage. Bei den Instituten Allensbach und Insa wird das BSW bei vier Prozent ausgewiesen. Forsa und die Forschungsgruppe Wahlen rechnen das Bündnis inzwischen zur Kategorie "Sonstige". Auch die Aussichten auf die Landtagswahlen im nächsten Jahr sind mies.

Doch es existiert noch eine Hoffnung für Wagenknecht: der nachträgliche Einzug in den Bundestag. Dazu könnte in der kommenden Woche zumindest eine Vorentscheidung fallen. Dann soll nach stern-Informationen nach einer fast dreimonatigen Beratungspause der zuständige Wahlprüfungsausschuss tagen.

Auf der Tagesordnung: Der Einspruch des BSW gegen die Bundestagswahl mit der zugehörigen Forderung, alles komplett neu auszuzählen.

Der geheimnisvolle Ausschuss

Eine offizielle Bestätigung ist allerdings nicht zu erhalten. Der Ausschuss umgibt sich seit Monaten mit der Aura des Geheimnisvollen. Ausschusschef Macit Karaahmetoğlu (SPD) erklärt auf Nachfrage nur, dass gewöhnlich die Einladungen eine Woche vor der Sitzung verschickt würden. "Weitergehende Auskünfte können mit Blick auf den Umstand, dass das Wahlprüfungsverfahren als besonderes, gerichtsähnliches Verfahren ausgestaltet ist, nicht erteilt werden", teilt sein Büro mit.

Die Nervosität ist groß. Nie gab es ein derart knappes Ergebnis einer Bundestagswahl. Und nie hätte eine mögliche Korrektur derart extreme politische Auswirkungen. Bekanntlich hatte das BSW bei der Bundestagswahl am 23. Februar den Parlamentseinzug denkbar knapp verpasst. Der Partei fehlten nur etwa 9500 Stimmen, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu gelangen.

Wagenknecht verwies von Anfang an auf mutmaßliche Zählfehler. Und tatsächlich spricht einiges dafür, dass der Abstand zur Hürde mit einer Neuauszählung zumindest geringer werden könnte. So kamen bereits im Februar beim Routineabgleich zwischen dem vorläufigen Resultat und dem amtlichen Endergebnis rund 4000 BSW-Stimmen hinzu.

Später wiesen einige Stichproben in dieselbe Richtung. Zudem wirkte es auffällig, dass die Kleinstpartei "Bündnis Deutschland" in einigen Wahllokalen eine überproportional hohe Zustimmung erhielt. Hier liegt es zumindest nahe, dass bei der Auszählung beide Parteien verwechselt wurden.

Das Resultat wäre eine Staatskrise

Trotzdem gilt es als unwahrscheinlich, dass der Wahlprüfungsausschuss dem Bundestag das Ja zur Neuauszählung empfiehlt. Zum einen sind da die Stellungnahmen der Wahlleitungen, die das Endergebnis unisono verteidigen. Zum anderen drohen existenzielle Folgen für Parlament und Bundesregierung.Denn der nachträgliche Einzug des BSW würde nicht nur etwa 30 Abgeordnete das Mandat kosten, wohl einschließlich der CDU-Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, er würde auch die 12-Stimmen-Mehrheit der schwarz-roten Koalition aufheben. Das Resultat liefe auf eine Staatskrise hinaus.

Wohl auch deshalb ist die AfD die einzige Parlamentspartei, die öffentlich die Belange des BSW unterstützt. Zwar würde ihre Fraktion bei einem Einzug der Wagenknecht-Partei ebenfalls einige Sitze verlieren. Aber sie dürfte politisch profitieren: durch das dann entstehende Chaos und durch die Möglichkeit, gemeinsam mit dem BSW ein gutes Viertel der Stimmen zu kontrollieren und Untersuchungsausschüsse einzusetzen.

Und so sagt Stephan Brandner dem stern: "Wir werden, Stand jetzt, für die Neuauszählung stimmen." Der stellvertretende Vorsitzende der AfD ist einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und ihr Justiziar. Er gibt sich staatstragend. "Es geht um das Vertrauen in freie Wahlen, da muss das Interesse jeder Fraktion im Bundestags hintanstehen", formuliert er. Gleichwohl folgt ein deutlicher Hinweis auf das politische Motiv: "Es geht aber auch um die Mehrheit und damit die Legitimation dieser Bundesregierung – und damit den Kern unserer Republik."

Laternen vor dem Reichstagsgebäude

Doch zuvor muss der Wahlprüfungsausschuss tagen. Erst nach dessen wahrscheinlicher Ablehnung des BSW-Einspruchs und der finalen Abstimmung im Parlament kann die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Neuauszählung klagen.

Immer lauter wird deshalb das Drängen Wagenknechts, aber auch ihres designierten Nachfolgers Fabio De Masi. Die Partei organisiert Unterschriftenlisten, E-Mail-Kampagnen und sogar Montagsdemonstrationen mit Laternen nahe dem Reichstagsgebäude.

Immerhin sind bereits neun Monate seit der Bundestagswahl vergangen. In diesem Dreivierteljahr hat der Wahlprüfungsausschuss erst dreimal getagt, am 27. Juni, am 10. Juli und am 11. September. Zum Vergleich: In der vergangenen Wahlperiode gab es im vergleichbaren Zeitraum fünf Beratungstermine.

Sahra Wagenknecht spricht von Missachtung

Entscheidet der Ausschuss nicht bis einschließlich 4. Dezember, kann wohl der Bundestag nicht mehr in diesem Jahr darüber abstimmen. Das Parlament ginge erst einmal in die Weihnachtsferien. Wieder wäre mindestens ein Monat verschenkt. Sahra Wagenknecht hat diese Zeit nicht. Sie braucht vor dem Bundesparteitag des BSW, der am 6. und 7. Dezember in Magdeburg stattfindet, ein Zeichen des Fortschritts, und sei es eine Ablehnung. Dann könnte die Partei immerhin die Klage vorbereiten.

Zumindest die Koalitionsvertreter dürften mit ihrer Mehrheit den Einspruch ablehnen, glaubt Wagenknecht. "Sie haben viel zu große Angst, dass eine Neuauszählung das BSW in den Bundestag und die Merz-Regierung um ihre Mehrheit bringen könnte", sagte sie dem stern. So oder so handele es sich bei der "Verzögerungstaktik" des Ausschusses um "eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichts". Schließlich habe Karlsruhe bereits im Sommer bei der Ablehnung der Eilanträge des BSW dem Bundestag aufgetragen, "in angemessener Frist" zu entscheiden. Stattdessen werde die Abstimmung von "einer bemerkenswerten Querfront" immer weiter nach hinten geschoben.

Die Stellungnahmen der Bundeswahlleiterin und Landeswahlleitungen liegen dem Gremium seit dem 4. Juli vor, die Replik des BSW traf Ende August ein. Ein weiterer Schriftsatz, den das BSW im Oktober einschickte, fand keine Berücksichtigung mehr. "Der Einspruchsgegenstand" sei "grundsätzlich auf die Sachverhalte beschränkt", die "fristgemäß mit der Einlegung des Einspruchs vorgetragen" wurden, teilte damals Ausschusschef Karaahmetoğlu dem stern mit.

Quelle: ntv.de

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