"Bis 2030 in Westeuropa" Frankreich prüft Bau spezieller Urananreicherungs-Anlage
29.03.2024, 16:19 Uhr Artikel anhören
Container mit radioaktivem Material in Frankreich.
(Foto: picture alliance / abaca)
Seit Jahren wird aus Europa reichlich benutztes radioaktives Material nach Russland gebracht, um dort teils wieder angereichert zu werden - und Kritikern zufolge auch in Sibirien entsorgt zu werden. Frankreich erwägt nun den Bau einer speziellen Anlage, um unabhängiger von Russland zu werden.
Um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, erwägt die französische Regierung den Bau einer Anlage zur erneuten Anreicherung von Uran aus ausgedienten Brennelementen. "Diese Möglichkeit wird ernsthaft geprüft", teilte das Industrie- und Energieministerium in Paris mit. Der französische Stromkonzern EDF bestätigte, dass er mit mehreren Partnern im Gespräch sei, um eine Anlage zur Wiederanreicherung von Uran "bis 2030 in Westeuropa" zu bauen.
Derzeit befindet sich eine wichtige Anlage, die Uran aus benutzten Brennelementen für den Einsatz in Atomkraftwerken erneut anreichern kann, im sibirischen Sewersk. EDF hatte 2018 einen Vertrag über 600 Millionen Euro mit einer Filiale des russischen Atomkonzerns Rosatom unterzeichnet, um das Uran aus benutzten Brennelementen in Sewersk wieder anreichern zu lassen. Dies ist ein aufwendiger Prozess, bei dem größere Mengen radioaktiver Abfälle zurückbleiben.
Dieser Vertrag werde eingehalten, erklärte Jean-Michel Quilichini, Direktor der Nuklearsparte bei EDF. Er sehe keinen Grund, einen funktionierenden Vertrag zu kündigen, sagte er der Zeitung "Le Monde". EDF bemühe sich aber, "die geographischen Quellen und die Lieferanten zu diversifizieren".
EDF will mehr "Kreislaufwirtschaft"
EDF erklärte, dass es sich um eine "Kreislaufwirtschaft" handele, die in den kommenden Jahrzehnten ein Viertel des Rohstoffs einsparen könne. Ziel sei es, in den 2030er Jahren etwa 30 Prozent der Reaktoren mit auf diese Weise wieder angereichertem Uran zu bestücken.
Die zahlreichen Sanktionen, mit denen die EU Russland seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine belegt hat, sparen die Atomindustrie bislang aus. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert den fortgesetzten Handel mit Russland zugunsten der französischen Atomindustrie. Schon vor Beginn des Krieges kritisierte die Umweltorganisation, dass Frankreich radioaktive Abfälle in Sibirien "entsorge".
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirbt seit längerem für den Aufbau einer europäischen Atomindustrie, die auch die Verarbeitung von Uran umfasst. Im Februar 2022 hatte er in Frankreich die Wende zu einem erneuten Ausbau der Atomkraft ausgerufen und den Bau von bis zu 14 Reaktoren in Aussicht gestellt.
Macron begründet dies damit, dass Atomkraft emissionsarm sei und zur unabhängigen Energieversorgung des Landes beitrage. Kritiker verweisen darauf, dass Frankreich etwa die Hälfte des für die Atomkraftwerke benötigten Urans aus Kasachstan und Usbekistan importiere.
Quelle: ntv.de, mpe/AFP