Politik

Macron schickt Innenminister Frankreich schließt in Marseille Lücke der Erinnerungskultur

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Erstmals hat Marseille der Razzien 1943 im großen Rahmen gedacht.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Im Januar 1943 sprengen deutsche Soldaten in Marseille das Hafenviertel. Die Besatzer deportieren Tausende Menschen, darunter Hunderte Juden. Französische Polizisten des Vichy-Regimes halfen. Frankreich tut sich schwer mit dem Gedenken an die Opfer. In diesem Jahr gelingt es dem Land erstmals auf höchster Ebene.

In Marseille ist erstmals in großem Rahmen bei einer Gedenkveranstaltung der Razzien gegen die jüdische Bevölkerung und der Sprengung des alten Hafenviertels während der Besatzung durch Nazi-Deutschland im Januar 1943 gedacht worden. Es habe 80 Jahre gedauert, bis ein Bürgermeister und Minister gemeinsam die Ereignisse als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt haben", sagte der Bürgermeister von Marseille, Benoît Payan. Bei der Veranstaltung war auch Innenminister Gérald Darmanin anwesend.

Bei einer ersten Razzia in der Nacht zum 22. Januar 1943 verhaftete die unter der Verantwortung des mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes stehende französische Polizei 1865 Männer, Frauen und Kinder im Hafenviertel von Marseille, in dem zahlreiche jüdische Bewohner lebten. Am folgenden Tag umstellten deutsche Soldaten ein weiteres, eher ärmliches Viertel nördlich des alten Hafens, in dem Hafenarbeiter und auch viele italienische Einwanderer wohnten. Für die Nazis war das Viertel ein Widerstandsnest und ein "Saustall". Die französische Polizei verhaftete dort weitere 635 Personen.

Heikles Thema in Frankreich

Am frühen Morgen des 24. Januar schließlich drangen deutsche Soldaten und französische Polizisten in das gesamte Viertel ein und transportierten rund 15.000 Bewohner in ein Lager nach Fréjus etwa 140 Kilometer östlich der Stadt ab. Anschließend sprengten die Behörden 1500 Gebäude in dem Viertel in die Luft. Rund 800 Jüdinnen und Juden wurden nach den Razzien in Viehwaggons gesteckt und in deutsche Vernichtungslager deportiert. Insgesamt wurden 1642 Menschen im Zuge der Operation "Sultan" deportiert.

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Marseille habe damals als "Weltstadt, in der Menschen aller Identitäten miteinander in Kontakt sind", all das dargestellt, "was die Nazis hassten", sagte der linksgerichtete Bürgermeister Payan bei der Gedenkveranstaltung. Auf Payans Initiative hin beging Marseille erstmals ein Gedenken in großem Rahmen, um an die Ereignisse im Januar 1943 zu erinnern. Diese seien "zu lange vergessen und fast aus unserem kollektiven Gedächtnis gelöscht" worden, sagte Payan. Innenminister Darmanin sagte in Marseille, er sei "auf persönlichen Wunsch" von Staatspräsident Emmanuel Macron bei der Gedenkveranstaltung, um die "Lücke" in der französischen Erinnerungskultur zu schließen.

Die Kollaboration von Franzosen mit den Nazis während der Zeit der deutschen Besatzung und des Vichy-Regimes im Zweiten Weltkrieg ist bis heute ein heikles Thema in Frankreich. 1995 hatte der damalige Präsident Jacques Chirac als erster Staatschef die Verantwortung Frankreichs - auch als Staat - für Razzien und Deportationen im Land anerkannt.

Quelle: ntv.de, jwu/AFP

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