Hintergrund noch unklar Großeinsatz vor Hagener Synagoge beendet
16.09.2021, 07:35 Uhr
Wegen einer möglichen Gefährdungslage wird ein Gottesdienst zu Jom Kippur in der Hagener Synagoge abgesagt. Schwer bewaffnete Polizisten sichern das Gebäude. Erinnerungen an den Terroranschlag in Halle vor zwei Jahren werden geweckt. Doch nach mehreren Stunden gibt die Polizei Entwarnung.
Die Polizei ist an einer Synagoge im nordrhein-westfälischen Hagen wegen einer möglichen Gefahr im Großeinsatz gewesen. Noch in der Nacht hat sie zumindest vorerst Entwarnung gegeben. Vor Ort hätten "keine Hinweise auf eine Gefährdung" festgestellt werden können, teilte die Polizei Dortmund mit. Nach Informationen von ntv gab es eine Festnahme. Details sind noch nicht bekannt. Zuvor hatten zahlreiche Einsatzkräfte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur nach "Hinweisen über eine mögliche Gefährdungslage im Zusammenhang mit einer jüdischen Einrichtung" das Gebäude gesichert.
Weiterhin gibt es bisher keine Informationen darüber, auf welche konkrete Gefährdung es Hinweise gab und durch wen sie übermittelt worden waren. Ein Polizeisprecher sagte am Morgen: "Wir sind noch mitten drin im Einsatz." Aus einsatztaktischen Gründen könnten derzeit noch keine weiteren Angaben gemacht werden.
Zuvor war ein Gottesdienst kurzfristig abgesagt worden. Das gemeinsame Gebet in der Synagoge sei für 19 Uhr geplant gewesen. Allerdings sei die mögliche Gefahrenlage bereits am späten Nachmittag bekannt gewesen, sagte ein Polizeisprecher. In der Synagoge hätten sich keine Menschen befunden, hieß es. Polizeikräfte riegelten die Synagoge daraufhin ab. Die Straße in der Hagener Innenstadt, an der die Synagoge liegt, wurde in 250 Metern Abstand gesperrt. Zahlreiche Kräfte einer Einsatzhundertschaft seien im Einsatz gewesen, sagte der Polizeisprecher.
Im Laufe der Nacht wurde der Einsatz wieder stark zurückgefahren. Die weiträumigen Straßensperren wurden aufgehoben, die meisten Einsatzkräfte zogen ab. Zugleich sei der Schutz des Gotteshauses verstärkt worden, hieß es von der Polizei. Auch am Morgen sind noch mehrere Streifenwagen in der Nähe der Synagoge zu sehen gewesen, sowie mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte. Es lägen auch keine Hinweise vor, dass andere jüdische Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gefährdet sein könnten, hieß es weiter. "Wir sind jetzt in besonders engem Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. Die Menschen sind in Sorge", sagte ein Polizeisprecher.
Das Geschehen in Hagen weckte Erinnerungen an den Terroranschlag in Halle in Sachsen-Anhalt vor zwei Jahren. An Jom Kippur 2019 - damals am 9. Oktober - hatte ein bewaffneter Rechtsextremist versucht, gewaltsam in die Synagoge einzudringen. Als die Tür standhielt, erschoss er in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht zwei weitere. Der Täter ist inzwischen wegen zweifachen Mordes und vielfachen Mordversuchs verurteilt.
Polizei schickt Menschen nach Hause
Ihren höchsten Feiertag Jom Kippur, den Versöhnungstag, begehen Juden in diesem Jahr am Mittwoch und Donnerstag. Dann endet die Gedenk- und Bußzeit seit dem jüdischen Neujahrsfest Anfang September. Die meisten Mitglieder der Gemeinde hätten noch telefonisch über die Absage des Gottesdienstes informiert werden können und seien gar nicht zur Synagoge gekommen, sagte der Polizeisprecher. Einige seien an den Absperrungen von der Polizei informiert und wieder nach Hause geschickt worden. Dies sei sehr ruhig und ohne Panik abgelaufen.
Hagens Oberbürgermeister Erik Schulz versicherte der jüdischen Gemeinde angesichts der Bedrohungslage seine Solidarität. "So wenig wir auch über die genaue Situation wissen - in unseren Gedanken sind wir bei der Jüdischen Gemeinde Hagen", sagte er der "Westfalenpost". Schulz habe sich nach einem auswärtigen Termin auf den Weg gemacht, um sich vor Ort ein Bild von dem Einsatz zu verschaffen.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul ließ sich über den Polizeieinsatz unterrichten. "Der Minister ist umfassend informiert über die mögliche Gefährdungslage", sagte ein Sprecher. Die jüdische Gemeinde in Hagen ist klein. Sie hatte 2020 laut Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 264 Mitglieder.
Quelle: ntv.de, chf/hul/dpa/AFP