Brantner: "Das ist ein Skandal" Grüne Frauen wollen Sorgerecht von Gewalttätern einschränken


Die Grünen-Vorsitzende Brantner unterstützt eine Reform beim Sorge- und Umgangsrecht.
(Foto: picture alliance/dpa)
Gerichte tun sich schwer damit, Eltern das Sorgerecht oder das Umgangsrecht zu entziehen. Das gilt sogar für nachweislich gewalttätige Väter. Aus Sicht der bei Bündnis90/Die Grünen organisierten Frauen ein unhaltbarer Zustand. Parteichefin Brantner dringt auf Reformen.
Die Gesetzeslage in Deutschland schützt aus Sicht von Politikerinnen der Grünen nicht ausreichend die Rechte von Kindern und Müttern vor gewalttätigen Vätern. "Männer, die ihre Partnerinnen schlagen, bekommen nach einer Trennung häufig trotzdem das Recht auf Umgang mit ihren Kindern. Das ist ein Skandal", erklärte die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner gegenüber ntv.de. Die Anwendung von Gewalt dürfe "niemals durch das Gesetz indirekt belohnt werden", so Brantner weiter. "Darum fordern wir eine Reform des Sorge- und Umgangsrechts: Kontakt zu den Kindern darf es nur geben, wenn Mutter und Kind in Sicherheit sind."
Wenn am Wochenende in Halle an der Saale die in der Partei organisierten Frauen zum sogenannten Bundesfrauenrat zusammenkommen, kommt ein entsprechender Antrag als Arbeitsauftrag an die Bundestagsfraktion zur Abstimmung. Dieser listet konkrete Vorschläge auf, wie das Sorgerecht und das Umgangsrecht für gewalttätige Elternteile eingeschränkt werden könnten.
Die möglichen Rechtseinschränkungen sind unabhängig vom Geschlecht des gewaltausübenden Elternteils. Grünen-Chefin Brantner hat dennoch die weit überwiegend männlichen Täter im Blick: "Alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen Opfer häuslicher Gewalt", erklärte Brantner, selbst Mutter einer Tochter. Ungeachtet der bekannten Dimension dieses Problems müssten in Deutschland "Täter kaum echte Konsequenzen fürchten".
Mehr Schutz für gefährdete, getrennt lebende Mütter
Der von der frauenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, eingebrachte und von Brantner unterstützte Antrag schlägt unter anderem vor, das Recht gewalttätiger Eltern auf Umgang mit ihren Kindern zu konditionieren. Diese müssten eine Gewaltverzichtserklärung abgeben, Verantwortung für ihr bisheriges Verhalten übernehmen und sich zur Teilnahme an entsprechenden Beratungsangeboten und Trainingskursen verpflichten.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte schon im vergangenen Jahr den Entzug des Sorgerechts für einen Vater damit begründet, dass auch die von Kindern miterlebte Gewalt gegen die eigene Mutter eine Form von Kindesmisshandlung darstellt. Die Entscheidung musste aber erst mühsam durch die Betroffenen erstritten werden. Eine Gesetzesänderung könnte derartige Entscheidungen zum Nachteil des gewalttätigen Elternteils vereinfachen.
Weil etwa gewalttätige Väter nicht zwingend ihre Kinder gefährden, dafür aber deren Mütter psychisch oder physisch bedrohen, adressiert der Antrag auch den Schutz der Frauen. Es brauche sichere Orte für die Übergabe eines Kindes zwischen getrennten Elternteilen, wo "speziell dafür qualifizierte Fachkräfte" zugegen seien. Diese brauche es auch an Orten, wo Eltern mit eingeschränktem Umgangsrecht ihre Kinder unter Aufsicht treffen dürfen. "Besonders gefahrvoll sind die Situationen, in denen es um die Übergabe von Kindern geht", stellen die Autorinnen fest. "Hier kommt es oft zu Bedrohungen, Einschüchterungen oder erneuten Übergriffen oder es droht dazu zu kommen."
Auch Koalition plant Reformen
Ferner enthält der Grünen-Antrag auch Vorschläge, wie die Rechte betroffener Kinder sowie betroffener Elternteile schon in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren umfassender geschützt werden könnten. Aus Sicht der Grünen-Politikerinnen ergibt sich der Handlungszwang schon aus der Tatsache, dass Deutschland Unterzeichnerstaat der sogenannten Istanbul-Konvention des Europarats von 2011 ist. Dieser verpflichte die Bundesrepublik sicher, dass in Entscheidungen über das Sorgerecht Vorfälle häuslicher Gewalt mitgewichtet werden. Auch das Recht von Kindern, als Zeugen und Zeuginnen von Gewalt - etwa gegen ihre Mütter - aufzutreten, müssen Unterzeichnerstaaten demnach gewährleisten.
Dass ein konkreter Gesetzentwurf der Oppositionspartei angenommen wird, ist extrem unwahrscheinlich. Die Fraktion kann aber zumindest in den Ausschüssen auf aus ihrer Sicht notwendige Verbesserungen von Gesetzentwürfen der Regierungsfraktionen hinwirken. Auch SPD und Union planen Verbesserungen zum Schutz von Frauen und Kindern. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Häusliche Gewalt stellt eine Kindeswohlgefährdung dar und ist daher zulasten des Gewalttäters im Sorge- und Umgangsrecht maßgeblich zu berücksichtigen."
Dass allerdings noch im laufenden Jahr ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, ist nicht absehbar. Bundesjustizministerin Verena Hubig sagte im Juni den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wer seine Partnerin schlägt, muss damit rechnen, dass er sein Kind nicht mehr sehen darf - oder nur im Beisein einer Begleitperson." Bei den Grünen dürfte die SPD-Politikerin mit diesem Ansinnen auf offene Ohren stoßen. Die Regierungsfraktionen treiben zudem die Nutzung von Fußfesseln voran, um verhängte Kontaktverbote durchzusetzen, was auch für gewalttätige Elternteile angewendet werden könnte, wenn diese sich auf gerichtliche Anordnung nicht mehr den eigenen Kindern und dem anderen Elternteil nähern dürfen.
Quelle: ntv.de