Grüner im "RTL Kandidatencheck" Habeck beteuert: "Es geht nicht um normale Sparer"


Als erster der Kanzlerkandidaten stellt sich Robert Habeck dem "Kandidatencheck" bei RTL Direkt. Der Grüne steht wegen seiner Idee, Sozialversicherungsabgaben auf Aktiengewinne zu erheben, mächtig unter Druck. Habeck aber versteht die Aufregung nicht - und findet Markus Söders Kurs "dämlich oder gefährlich".
Wie schief kann ein Wahlkampf laufen? Ziemlich schnell ziemlich schief, weiß Robert Habeck seit dieser Woche aus eigener Erfahrung. Der Grünen-Kanzlerkandidat wollte die soziale Kälte der Reichen in Deutschland thematisieren, ihr unsolidarisches Verhalten. Doch was wurde daraus seit Sonntagabend? Politische Mitbewerber und Medien diskutieren die soziale Kälte der Grünen, das unsolidarische Verhalten ihres Kanzlerkandidaten. Aus der beabsichtigten Botschaft "Wir wollen die Reichen stärker belasten" war irgendwie die Nachricht geworden "Die Grünen wollen an die Altersvorsorge der kleinen Leute". Im Netz spricht man in solchen Fällen von einem "fail", einem Scheitern. Gut für Habeck, dass er am Abend in der Sendung "RTL Direkt Spezial: Der Kandidatencheck" die Gelegenheit zur Klarstellung vor großem Publikum erhält.
Moderatorin Pinar Atalay kommt auch umgehend auf das Thema zu sprechen. Am Sonntagabend hatte Habeck in der ARD vorgeschlagen, Sozialversicherungsabgaben auf Kapitalerträge wie etwa Aktiengewinne zu erheben. "Im Moment ist es so, dass der, der arbeitet, oder die, die arbeitet, am Ende der Dumme ist und diejenigen, die nicht arbeiten und viel Geld haben, stehlen sich so ein bisschen raus", führt Habeck aus. Die Beitragssätze steigen wegen der wachsenden Kosten im Gesundheitssystem stetig. Zur Finanzierung der Gesundheitskosten werden aber fast ausschließlich die Löhne der gesetzlich Versicherten herangezogen.
Um dieses Problem anzugehen, habe er seinen "Entlastungsvorschlag" vorgelegt, sagt Habeck. "Der Kleinsparer muss sich keine Sorgen machen. Es geht nicht um kleine Portfolios. Es geht nicht um normale Sparer. Es geht nicht um die Altersvorsorge", beteuert Habeck, sondern: "Es geht darum, dass Leute, statt zu arbeiten, ihr Geld für sich arbeiten lassen und dadurch Einkommen generieren, und sich nicht beteiligen an der Finanzierung der Sozialsysteme."
"Mir geht es um eine Systemfrage"
Atalay leitet daraus ab, es müsse bei dem Grünen-Vorschlag also Freibeträge geben, um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu schonen, die etwas beiseitelegen. Wie hoch soll dieser Betrag sein, will sie wissen. "Es gibt verschiedene Modelle, wie man es dann auflösen kann", sagt Habeck. "Mir geht es aber hier nicht um eine Zahlendebatte, mir geht es um eine Systemfrage." Soll heißen: Der Vorstoß sei gar nicht so konkret gemeint gewesen. Er, Robert Habeck, habe nur einmal das Problem im Wahlkampf ansprechen wollen und könne sich vorstellen, irgendwie auch die Menschen mit besonders großen Anlagevermögen an der Finanzierung der Sozialkassen zu beteiligen. Egal, ob diese gesetzlich oder privat versichert sind.
Obwohl, nicht einmal so präzise ist Habeck. Vielleicht geht es ihm auch nicht um die Privatversicherten. Und ob es ihm nur um die Finanzierung der Gesundheitskosten geht oder mit "Sozialsysteme" auch die Pflege oder gar die Rente mitgemeint ist, bleibt offen. Habeck wirkt angespannt im Gespräch zum Thema. Er betont das Grundsätzliche: "Jetzt höre ich immer wieder, wenn man ein schwieriges Thema anspricht, 'Lass es bleiben, es könnte Leute verschrecken!' Aber wir müssen über die Finanzierung unserer Bildung, unserer Sicherheit und unserer Sozialversicherungen reden", sagt Habeck. Die anderen täten es nicht, Union und FDP drehten ihm stattdessen das Wort im Mund um. Sie hätten gesagt, bei den zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträgen seien Kleinsparer betroffen, klagt Habeck. "Dabei geht es um die Millionäre!"
Dass Habeck an den Missverständnissen selbst schuld sein könnte, sieht er nicht so. Er habe einen Vorschlag zur Diskussion gestellt, nun könne man debattieren und einander zuhören, bevor die Politik entscheide. Diese Herangehensweise sei "eine Lehre aus dem Heizungsgesetz, die ich gezogen habe". Das kommunikative Desaster um das Gebäudeenergiegesetz, wie es amtlich heißt, schleppen Habeck und die Grünen noch immer mit sich herum. Im RTL/ntv-Trendbarometer liegen die Grünen mit 13 Prozent abgeschlagen auf Platz vier. Habeck spürt nach eigenen Angaben dennoch "wiedergewonnenes Vertrauen", das sich in vergleichsweise guten Zuspruchswerten für seine Person spiegele. "Das nehme ich als Ermutigung, aber auch als Vertrauensvorschuss."
Söder "torpediert den Wahlkampf von Friedrich Merz"
Als Atalay ihn nach dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder fragt, der ihm alle Wirtschaftskompetenz abspricht und eine Koalition zwischen Union und Grünen ultimativ ausschließt, entgegnet Habeck: "Herr Söder arbeitet sich in Wahrheit gar nicht an mir ab, sondern torpediert den Wahlkampf von Friedrich Merz. Das wissen auch alle." Koalitionen auszuschließen, sei "dämlich oder gefährlich", warnt Habeck mit Blick auf Österreich. Dort könnte demnächst die rechtsradikale FPÖ den Bundeskanzler stellen, weil Konservative und Sozialdemokraten nicht zueinanderfanden. In Deutschland müssten alle demokratischen Parteien gesprächs- und koalitionsfähig sein, sagt Habeck. "Das ist die DNA dieser Republik."
Der 55-Jährige vermutet indes auch Ablenkungsversuche der Union von den eigenen Antworten auf die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands. "Im Grunde genommen ist das ganze Wahlprogramm, das die Union hat, ein Wolkenkuckucksheim", sagt Habeck. "Man kann sich dazu gar nicht verhalten." Die Vorschläge der Union kosteten 100 Milliarden Euro, ohne deren Herkunft zu erklären. Eine Reform der Schuldenbremse lehnt die Union jedenfalls ab. "Die Union sagt: 'Das machen wir alles aus dem laufenden Haushalt'", sagt Habeck. "Das geht schon mathematisch nicht auf und politisch wird es eine Mogelpackung sein."
Zuschüsse für Führerschein und mehr Polizisten
Die Grünen wollten dagegen 40 Milliarden Euro Schulden aufnehmen für Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung und Schienen. "Wir sind wenigstens ehrlich und sagen: 'Das wird erst mal was kosten, dann wächst die Wirtschaft wieder, dann kommen wieder mehr Steuereinnahmen, weil die Wirtschaft wächst, und dann zahlen wir die aufgenommenen Kredite zurück'." Es gehe darum, "dass dieses Land wieder auf Vordermann kommt". Deutschland müsse sich ein Stück weit neu erfinden, wieder innovativ sein, weil China und die USA als Absatzmärkte zunehmend dichtmachten. Das sei für eine Exportnation wie Deutschland ein strukturelles Problem. Der noch amtierende Bundeswirtschaftsminister spricht von einer "tiefen strukturellen Krise".
Den Vorwurf, sein Gesicht verbänden viele Menschen mit Vorschriften und Verboten, lässt Habeck nicht unwidersprochen stehen. Im Wahlprogramm der Grünen fänden sich "an vielen Stellen nicht klassisch grüne Positionen", sagt Habeck. Zum Beispiel sei der Führerschein "affenteuer" geworden. "Wir unterstützen Auszubildende beim Führerscheinmachen für die Ausbildung, egal ob sie ein E-Auto fahren oder einen Diesel." Auch die innere Sicherheit sei ein großes Thema für die Grünen geworden, weshalb sie nun mehr Polizisten und eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden forderten. All diese Vorschläge benennt Habeck unmissverständlich.
Das ganze Interview mit Robert Habeck finden Sie hier im Video.
Quelle: ntv.de