
Will Nachfolgerin von Barack Obama werden: Hillary Clinton.
(Foto: AP)
Nach ihrem Zusammenbruch setzt Hillary Clinton für ein paar Tage aus. Am Donnerstag will sie ihren Wahlkampf fortsetzen. Die US-Präsidentschaftskandidatin steht jetzt noch stärker unter Beobachtung. Ein Vorteil ist das nicht.
Hauptsache, es geht weiter, irgendwie. Am Dienstag meldeten die US-Demokraten einen Hackerangriff auf interne Dokumente der Partei. Kontaktlisten wurden veröffentlicht, darunter die Handynummer von Vizepräsidentschaftskandidat Tim Kaine. Hillary Clinton dürfte das durchaus gelegen kommen, lenkt es doch zumindest kurz von ihr selbst ab. Auf einer Gedenkveranstaltung zum 11. September hatte die Präsidentschaftskandidatin am Sonntag einen Schwächeanfall erlitten. Daraufhin sagte Clinton all ihre Termine ab. An diesem Donnerstag will sie wieder in den Wahlkampf zurückkehren. Dann gilt es: kurz schütteln und weiter. Das große Ziel ist es, bei der US-Wahl am 8. November neue Präsidentin zu werden. Aber so einfach dürfte der Neustart nicht werden.
Am Montag sagte Clinton über ihren Zusammenbruch: "Ich fühle mich sehr viel besser." Sie habe nur ein bisschen Schwindel gehabt und das Gleichgewicht verloren. Zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass bei Clinton in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert worden war. "Ich dachte einfach nicht, dass die Lungenentzündung so eine große Sachen werden könne", sagte sie. Die frühere Außenministerin gönnte sich ein paar Tage Ruhepause. "Wie jeder, der schon einmal krank zuhause war und nicht arbeiten konnte, bin ich ungeduldig, endlich wieder draußen zu sein", twitterte sie während ihrer Auszeit.
Aber so leicht abschütteln dürfte die 68-Jährige das Ganze wohl nicht. Weniger als zwei Monate vor der Wahl hat sie Schwäche gezeigt und dadurch Zweifel genährt, ob sie fit genug ist, um Präsidentin zu werden. In den vergangenen Tagen diskutierten Medien, was eine Politikerin in ihrer Situation für sich behalten darf und was nicht. Sie veröffentlichten Listen mit dem Alter aller US-Präsidentschaftskandidaten am Wahltag, erinnerten an deren Wehwehchen und spekulierten über einen möglichen Ausfall kurz vor der Wahl.
Was hilft gegen Geheimniskrämerei?
Der Zwischenfall wirft ein wenig angenehmes Licht auf Clinton. Ihr Team machte Fehler, weil es den Zusammenbruch erst dann einräumte, als ein entsprechendes Video aufgetaucht war. Clinton ging erst dann offen mit ihrer Lungenentzündung um, als es nicht mehr anders ging. Auch aus den eigenen Reihen musste sie deshalb Kritik einstecken. Sie "hätte auf die Ärzte hören sollen", sagte der demokratische Vizepräsident Joe Biden. David Axelrod, der frühere Wahlkampfmanager Barack Obamas, sagte: "Welches Heilmittel gibt es gegen eine ungesunde Neigung zur Geheimniskrämerei, die immer wieder für unnötige Probleme sorgt?"
Nicht zum ersten Mal wird Clinton mangelnde Transparenz vorgeworfen. In der Vergangenheit stand die Politikerin wegen ihrer E-Mail-Affäre und umstrittener Spenden im Zusammenhang mit der Stiftung der Familie in der Kritik. Viele sehen sich nun erneut in einem Bild bestätigt, mit dem Clinton schon lange zu kämpfen hat. Sie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, sechs von zehn Amerikanern vertrauen ihr nicht. Clintons Team will nun Unterlagen veröffentlichen, um Zweifel an ihrer Gesundheit zu widerlegen. Das letzte Attest stammt vom Juli 2015 und bescheinigte ihr einen "perfekten physischen Zustand".
Dazu passt es nicht unbedingt, das Ehemann Bill am Montag im Interview mit dem Fernsehsender CBSN erklärte, dass Vorfälle wie am Wochenende "schon öfter vorgekommen" seien. Er selbst absolviert heute stellvertretend für seine Frau einen Wahlkampfauftritt in Las Vegas. Am Dienstag sprang US-Präsident Obama für Clinton ein. Bei einer Veranstaltung in Philadelphia sagte er: "Trump erzählt jeden Tag irgendwelches Zeug, das ihn für das Amt des Präsidenten disqualifiziert." Die Botschaft: Trump ist als Präsident noch ungeeigneter als eine gesundheitlich angeschlagene Clinton.
"Ich hoffe, dass es ihr bald besser geht"
Dennoch nutzt der Vorfall am ehesten dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Trump, der zwei Jahre älter ist als Clinton, kündigte zu Wochenbeginn an, die Ergebnisse seiner letzten medizinischen Untersuchung bald zu veröffentlichen. "Ich hoffe, dass es ihr bald besser geht", sagte er und demonstrierte vor allem für seine Verhältnisse ungewohnt höfliche Diskretion. Dabei kann er sich bestätigt fühlen. Über Monate hatte Trump öffentlich Gerüchte über Clintons Gesundheitszustand gestreut. Diese sei "zu schwach und mental instabil". Dass die Rivalin nun tatsächlich Schwäche zeigte, spielt Trump in die Karten. Wie so oft kann er jetzt darauf verweisen, dass er das schon lange gewusst hat.
Ungünstig ist die Entwicklung für Clinton auch in anderer Hinsicht. Nach den Nominierungsparteitagen im Juli hatte sie ihren Vorsprung in den Umfragen ausbauen können. Sie profitierte dabei auch davon, dass ihr Gegner innerhalb kürzester Zeit viele Negativmeldungen produzierte. Es schien, als müsse Clinton gar nichts machen, weil Trump sich selbst demontiert. Nun steht sie wieder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ausgerechnet im kraftraubenden Schlussspurt des Wahlkampfes steht sie unter Beobachtung. In den kommenden Wochen werden nicht nur politische Gegner genau hinschauen, ob Clinton noch einmal Schwäche zeigt. Einen erneuten Zwischenfall kann sie sich kaum erlauben.
In den letzten acht Wochen vor der Wahl muss Clinton darauf hoffen, dass andere Themen die Aufmerksamkeit verschieben. Der Hackerangriff auf die Demokraten lenkte kurzzeitig von ihr ab, ebenso die Ermittlungen gegen die Trump-Stiftung. Die Strategen der Kandidaten sind so kurz vor der Wahl besonders umtriebig. Trump-Anhänger verbreiten in diesen Tagen Gerüchte, wonach Clinton eine Doppelgängerin namens Teresa Barnwell habe. Die Schauspielerin tritt seit Jahren als Clinton-Double auf. Nachdem am Wochenende im Zusammenhang mit Clintons Auftritt in New York im Netz erneut munter spekuliert wurde, twitterte Barnwell: "Ok, Leute, beruhigt euch. Ich war in LA heute, den ganzen Tag." Clinton kann dies mit Erheiterung verfolgen, schaden dürfte es ihr nicht. Es sei denn, die Geschichte mit der Doppelgängerin sollte sich doch als wahr herausstellen.
Quelle: ntv.de