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600.000 Euro - nur wofür? Hat sich ARD-Journalist Seipel von Putin bestechen lassen?

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Seipel präsentiert Putin 2016 sein Buch.

Seipel präsentiert Putin 2016 sein Buch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der deutsche TV-Journalist Hubert Seipel hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht nur mehrfach interviewt. Er hat auch eine Biografie über den Kreml-Chef geschrieben. Recherchen legen jetzt nahe: Russland hat im Rahmen eines Sponsorenvertrags eine hohe Geldsumme an ihn gezahlt.

Der deutsche TV-Journalist und Putin-Biograf Hubert Seipel soll laut Medienberichten Hunderttausende Euro aus Russland erhalten haben, ohne dies dem Sender NDR als seinem Arbeitgeber mitzuteilen. Wie der "Spiegel" und das ZDF-Magazin "Frontal" unter Berufung auf vertrauliche Dokumente aus Zypern berichteten, geht es um 600.000 Euro, die im Rahmen eines sogenannten Sponsorenvertrages gezahlt worden seien.

Seipels Vertragspartner war demnach offiziell eine Briefkastenfirma namens De Vere Worldwide Corporation mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Diese gehöre augenscheinlich zum Firmengeflecht des russischen Oligarchen und langjährigen TUI-Großaktionärs Alexej Mordaschow, den die Europäische Union nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegte. Ein handschriftlicher Vermerk auf dem Vertrag mit Seipel legt außerdem nahe, dass es eine ähnliche Vereinbarung für eine Putin-Biografie bereits im Jahr 2013 gab. Seipel ist damit der erste renommierte westliche Journalist, von dem bekannt wird, dass er möglicherweise aus Putins Umfeld bezahlt wurde.

Verlag bietet Bücher nicht mehr zum Verkauf an

Seipel, der für das NDR-Fernsehen Putin mehrfach interviewte, räumte auf Anfrage "Unterstützung" durch Alexej Mordaschow ein. Der mittlerweile sanktionierte Oligarch habe jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Bücher gehabt, so Seipel. Tatsächlich heißt es im Vertrag, der Autor habe keinerlei "Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor in Bezug auf das Projekt (weder in Bezug auf den Inhalt oder die Zusammensetzung des Buches noch in anderer Hinsicht) oder dessen Fertigstellung".

Seipel hatte Russlands Präsident Wladimir Putin mehrfach interviewt. 2015 erschien seine Biografie "Putin. Innenansichten der Macht". 2021 folgte das Buch "Putins Macht. Warum Europa Russland braucht". Beide Bücher wurden vom Hamburger Verlag Hoffmann und Campe veröffentlicht.

Der Verlag und auch der NDR erklärten, nichts von den Zahlungen gewusst zu haben. Der Hamburger Verlag teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit: "Der Hoffmann und Campe Verlag hat sich aufgrund des vom "Spiegel" und des ZDF veröffentlichten Berichts zu Hubert Seipel entschlossen, dessen Bücher nicht mehr zum Verkauf anzubieten." Der Verlag habe keine Kenntnis von dem geschilderten Sachverhalt gehabt.

NDR prüft rechtliche Schritte

Der NDR teilte mit: "Den Abschluss der Verträge hatte Seipel dem NDR gegenüber damals nicht offengelegt. Der Sender sieht hierin einen erheblichen Interessenskonflikt, der Seipels journalistische Unabhängigkeit in Zweifel zieht." Den Abschluss hätte der Journalist demnach der Produktionsfirma und dem Sender gegenüber offenlegen müssen. Seipel sei zuletzt 2019 für den öffentlich-rechtlichen NDR tätig gewesen.

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NDR-Intendant Joachim Knuth wurde in der Mitteilung so zitiert: "Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind. Dem gehen wir jetzt nach und prüfen rechtliche Schritte." Die Vorgänge um die Beauftragung und Umsetzung der Filme, die Seipel für den NDR realisiert habe, werde man gründlich überprüfen. Dafür sei der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Steffen Klusmann gewonnen worden. Der NDR verlange in Produktionsverträgen und Compliance-Regeln, dass mögliche Interessenskonflikte offengelegt werden und die journalistische Arbeit frei vom Einfluss Dritter durchgeführt wird, hieß es weiter. Keiner der Filme Seipels befinde sich aktuell in der ARD-Mediathek.

Laut "Spiegel" und ZDF wurden die Zahlungen im Rahmen von "Cyprus Confidential" aufgedeckt, eine internationale investigative Recherche, bei der es um fragwürdige Geschäfte des EU-Landes Zypern geht.

Quelle: ntv.de, jki/AFP/dpa

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