Politik

Internationale Recherche Hat ukrainischer Ex-Agent Nord-Stream-Anschlag "koordiniert"?

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Nach mehr als einem Jahr bleibt die Urheberschaft der Attacke auf die Gaspipelines in der Ostsee ungeklärt. Waren Moskau oder Kiew involviert, ist dabei die größte Frage. Eine neue Recherche legt nahe: Ein ukrainischer Kommandeur hatte eine maßgebliche Rolle. Auf freiem Fuß ist er nicht.

Es ist immer noch nicht klar, wer für den Angriff auf die Gaspipelines in der Ostsee verantwortlich ist. Eine neue Recherche vom "Spiegel" und der "Washington Post" legt jedoch nahe, dass ein ukrainischer Spezialkräfte-Kommandeur eine maßgebliche Rolle bei den Nord-Stream-Anschlägen im September 2022 gespielt habe. In Sicherheitskreisen werde Roman Tscherwynsky, ein langjähriger Agent der ukrainischen Geheimdienste, als "Koordinator" der Angriffe beschrieben. Er soll für die Logistik des Sabotagekommandos zuständig gewesen sein. Tscherwynskys Name wird laut Bericht in diesem Zusammenhang sowohl in ukrainischen als auch in internationalen Sicherheitskreisen genannt.

Der Name eines mutmaßlichen Drahtziehers aus dem ukrainischen Sicherheitsapparat sei der bislang deutlichste Beleg, dass die Gasleitungen in der Ostsee von ukrainischen Tätern gesprengt wurden. Ermittler von Bundeskriminalamt, Bundespolizei und des Generalbundesanwalts hätten darüber hinaus inzwischen zahlreiche Spuren zusammengetragen, die in die Ukraine führen. Aus Sicherheitskreisen heißt es, es sei kaum vorstellbar, dass nicht zumindest der ukrainische Generalstab über die Sabotageaktion informiert gewesen sei.

Die internationale Recherche legt dar, dass schon im Juni 2022 der Militärnachrichtendienst der Niederlande eine Warnung an die CIA geschickt habe. Darin hieß es, der Anschlag würde von einer Gruppe vorbereitet, die "unmittelbar" dem ukrainischen Generalstabschef Walerij Saluschnyj berichte. Der 48-jährige Ex-Agent Tscherwynsky soll damals tatsächlich in einer Freiwilligen-Einheit der ukrainischen Spezialkräfte gedient haben.

Spuren weisen auch nach Moskau

Den Erkenntnissen der deutschen Ermittler zufolge mieteten die Täter für ihren Anschlag die Segeljacht "Andromeda" und fuhren mit ihr über mehrere Zwischenstationen zu den Anschlagsorten in der Ostsee. Auf der Jacht waren Sprengstoffrückstände gefunden worden. Taucher sollen anschließend Sprengsätze zu den Pipelines am Meeresgrund gebracht haben.

Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass ein Spezialkommando der Ukraine die Jacht genutzt hat, um die Pipelines zu sprengen. Dabei wurde das Schiff von einem Reisebüro aus Warschau angemietet, hinter dem die Ukraine stecken soll. Recherchen von RTL und ntv zeigen aber, dass auch Russen in den Sabotageakt involviert waren. Denn eine Frau, die in den Unterlagen der Firma genannt wird, ist eine Russin. Sie hat nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland 2014 geholfen, für die Besatzer Wahlen durchzuführen. Der Frau gehört laut polnischem Handelsregister die Firma, die die "Andromeda" laut deutschen Ermittlern angemietet haben soll.

Tscherwynsky wegen anderem Delikt in U-Haft

Wie es in dem neuen Bericht von "Spiegel" und "Washington Post" weiter heißt, gehörte Tscherwynsky über viele Jahre den ukrainischen Geheimdiensten SBU und GUR an und zeichnete sich durch besonders spektakuläre Aktionen aus. So entführte der SBU 2019 mit Tscherwinskys Hilfe den Separatisten Wladimir Zemach, der am Abschuss des Flugzeuges MH 17 beteiligt gewesen sein soll. Außerdem sei Tscherwinsky an der Schein-Rekrutierung Dutzender Wagner-Söldner beteiligt gewesen, die in die Ukraine entführt werden sollten.

Der 48-Jährige befindet sich aber nicht auf freiem Fuß, sondern er sitzt in Kiew in U-Haft. Beim Versuch, einen russischen Kampfjetpiloten zum Überlaufen zu bewegen, soll er Kompetenzen überschritten haben. Ihm drohen dafür zwölf Jahre Gefängnis. Er selbst bezeichnet das Verfahren gegen ihn als politisch motiviert. Er hatte in der Vergangenheit lautstark Kritik an Präsident Wolodymyr Selenskyj und dessen Umfeld geäußert. Tscherwynsky selbst bestritt auf Anfrage von "Spiegel" und "Washington Post" eine Beteiligung an den Nordstream-Attacken. Entsprechende Hinweise seien "russische Propaganda", ließ er über seinen Anwalt ausrichten. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte eine ukrainische Beteiligung an den Sprengungen in der Vergangenheit bestritten.

Quelle: ntv.de, ysc

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