Im hohen Bogen Wie zielt und trifft die Artillerie?
04.05.2022, 11:37 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Auch in der modernen Kriegsführung spielt die Artillerie eine entscheidende Rolle.
(Foto: dpa)
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine ist immer wieder die Rede von der Artillerie, von Haubitzen oder einfach von Langrohrwaffen. Deren Geschosse überwinden Distanzen von 10 bis 50 Kilometern, um die russischen Angreifer zu bekämpfen. Aber wie zielt und trifft die sogenannte Rohrartillerie?
Der Einsatz von Langrohrwaffen wie zum Beispiel Haubitzen oder Panzerhaubitzen spielt im Verteidigungskampf der Ukraine gegen die russischen Angreifer eine enorme Rolle. Aber warum ist das so? Welche Rolle spielen diese Waffensysteme in einem modernen Krieg? Und wie kann es sein, dass die Geschosse über Distanzen von bis zu 50 Kilometern noch treffen können?
Ihren Ursprung hat die Artillerie bereits im Altertum. Die Erfindung von Steinschleudern machte es möglich, schwere Gesteinsbrocken über Distanzen, die bis dahin undenkbar waren, auf Angreifer zu feuern. Mit der Erfindung des Schießpulvers entwickelte sich bereits in der Endphase des Hundertjährigen Krieges (1337 bis 1453) eine Waffengattung, die erheblichen Einfluss auf den Ausgang einer kriegerischen Auseinandersetzung haben konnte. Doch im Vergleich zu heute waren die Distanzen, die durch die Geschosse überwunden wurden, überschaubar. Lediglich 100 bis zu 1000 Meter trug die Treibladung die Granate. Einzeltreffer waren wegen der mangelhaften Präzision eher Zufall. Prinzipiell ging es hier um die Flächenwirkung.
Der Kampf in der Tiefe
Auch heute sind die Artilleriewaffen zur Unterstützung der Kampftruppen da. Mit ihren sogenannten Schwergewichtswaffen ermöglichen sie eine massive Feuerunterstützung und sind aufgrund ihrer enormen Reichweite dazu geeignet, den Kampf in die Tiefe des Feindes zu tragen. Dort werden Aufmarschstraßen, Reserven, Versorgungsanlagen oder Befehlszentralen zerschlagen oder wenigstens in ihrer Funktion erheblich behindert. Doch je größer die Reichweite, desto ungenauer wird das Trefferbild. Selbst heutzutage sind Punkttreffer der sogenannten Rohrartillerie mit herkömmlicher Munition eher selten. Und das, obwohl die technischen Möglichkeiten zur Berechnung der Flugbahn und aller sie beeinflussenden Größen immer besser werden.

Eine moderne Datenauswertung sorgt dafür, dass die Schüsse der Rohrartillerie genauer werden.
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Um die Treffergenauigkeit zu erhöhen, bedarf es einer akribischen militärischen Zielaufklärung. Hier unterscheidet man die bodengestützten und luftgestützten Aufklärungssysteme. Bei Erstgenannten handelt es sich um Beobachtungstrupps mit ihren optischen Aufklärungsmitteln. Zu denen gehören Aufklärungs- und Flugbahnradar ebenso wie Gefechtsfeldradargeräte oder Lichtmess- und Schallmess-Systeme. Hinzu kommen luftgestützte Aufklärungssysteme, wie zum Beispiel Aufklärungsdrohnen und Kleinfluggeräte. Die auf diesen Wegen gesammelten Bilder, die gemessenen Entfernungen oder die Standortbestimmung des Ziels durch Navigationssysteme und GPS gehen geschlossen in die Einrichtung der Rohrartillerie ein. Ebenfalls wichtig für die Zielgenauigkeit sind Daten wie Windstärke oder Temperatur, die die Flugbahn beeinflussen können und durch die Wettersensoren gemeldet werden.
Zieldaten werden berechnet
Bei modernen Artilleriesystemen erfolgt die Auswertung der Daten inzwischen durch einen Feuerleitrechner. In der Regel handelt es sich hierbei heute um frei programmierbare Digitalrechner, dessen Berechnungen zum Beispiel auch die Erdrotation einbeziehen. Im Detail gibt ein Feuerleitoffizier die Ziel- und Geschützkoordinaten ebenso in den Rechner wie die Wettermeldungen und die Pulvertemperatur der Treibladung. Aus all diesen Daten errechnet das System für jedes Einzelgeschütz der Artillerie ein spezielles Feuerkommando.
Nach dem Abschuss wird erneut über Aufklärungsmaßnahmen ermittelt, wie zielgenau und mit welcher Wirkung die Granaten eingeschlagen haben. Je größer die Distanzen werden, die von den Bogenschusswaffen überwunden werden, desto ungenauer wird aus meteorologischen und physikalischen Gründen die Streuung. Deshalb werden gegnerische Feuerstellungen auf einer mittleren Distanz von 10 bis 50 Kilometern mit präzisen Steilfeuer bekämpft. Um sich einem möglichen Konterfeuer zu entziehen, ist es sinnvoll, wenn die Artillerie nach jeder Schussabgabe die Stellung wechselt. Denn der Gegner arbeitet mit ähnlichen Waffen und technischen Hilfsmitteln. Insofern gelten alle hier genannte Regeln für die Artillerie auch andersrum.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 02. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de