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Talk zu Sanktionen bei Lanz "Haushalte müssen Gas einsparen"

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Ein besonderes Problem ist ein Gasspeicher im niedersächsischen Rehden Er ist der größte Gasspeicher Europas – und fast leer.

Ein besonderes Problem ist ein Gasspeicher im niedersächsischen Rehden Er ist der größte Gasspeicher Europas – und fast leer.

(Foto: picture alliance / Fotostand)

Viele Politiker in Deutschland wollen die Sanktionen gegen Russland wegen des Einmarsches in die Ukraine auch auf Gas ausdehnen. Doch das sei nicht so einfach, sagt der Chef der Bundesnetzagentur in der Talkshow Markus Lanz.

Das weltweite Hauen und Stechen ums Gas hat begonnen. Viele westliche Länder wollen wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine so schnell wie möglich weitere Sanktionen gegen Russland verhängen, auch auf Gas. Am Mittwochabend wollte Markus Lanz in seiner Talkshow im ZDF herausfinden, ob das wirklich so einfach geht. Klaus Müller, Grüner und Chef der Bundesnetzagentur, gibt eine klare Antwort: "Nein".

Denn was seine Behörde angeht, gibt Müller zu: "Wir sind vorbereitet, aber nicht gut." Das Problem liegt vor allem in einem langjährigen Versäumnis der letzten Bundesregierungen: Anders als beim Öl gibt es in Deutschland keine Gasreserve. Nach dem Ende der Ölkrise in den 1970er-Jahren hatte die damalige sozial-liberale Bundesregierung beschlossen, eine Ölreserve anzulegen. Beim Gas fordern dies die Verbraucherschützer spätestens seit dem vergangenen Herbst. Passiert ist nichts. "Man hat gedacht, man könne den Unternehmen vertrauen", erklärt Müller das Versäumnis. Ein fataler Fehler, wie wir noch sehen werden.

Die Netzagentur jedenfalls bereite sich seit neun Wochen auf die Situation einer Gasmangellage vor, sagt Müller. Krisenstäbe seien gebildet, Notlagezentren für die Kommunikation mit den Unternehmen eingerichtet worden. Jetzt werde an der Datenerfassung gearbeitet. Die Industrieunternehmen, die Gas benötigen, sollen so schnell wie möglich melden können, wieviel. Im Notfall sogar täglich.

"Jeder, der hinschauen wollte, konnte das sehen"

Das Wichtigste für Müller jedoch ist, eine Notlage überhaupt zu verhindern. Dazu sollten die Speicher voll sein. Und das sind sie nicht, sondern nur zu 36 Prozent, also etwas mehr als ein Drittel, erklärt Müller. "Das ist nicht gut", sagt er.

Ein besonderes Problem ist dabei ein Gasspeicher im niedersächsischen Rehden, einer beschaulichen Gemeinde im Landkreis Diepholz. Er ist der größte Gasspeicher Europas – und fast leer. Müller sagt, er sei zu gut 0,5 Prozent gefüllt. Damit sind knapp 3,9 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität ungenutzt. Seit vier Wochen verwaltet die Netzagentur den Speicher, davor war der russische Staatsenergieriese Gazprom der Besitzer. Dieser hatte sich zwar im vergangenen Jahr reichlich aus seinem Speicher bedient, ihn aber nicht wieder aufgefüllt. Der Skandal war bekannt: Der NDR hatte bereits im September 2021 berichtet. Da lag das zuständige Bundeswirtschaftsministerium noch in den Händen der CDU. "Jeder, der hinschauen wollte, konnte das wissen", sagt auch Müller bei Lanz.

Wer von einem Gas-Lieferstopp besonders betroffen ist, regeln europäische Gesetze, sagt Müller. Privathaushalte, Krankenhäuser, Kasernen zum Beispiel kämen da ganz hinten. Bei der Netzagentur lerne man nun, wie Produktionsketten in Industrieunternehmen funktionierten. Darum nehme man die 2.500 größten Unternehmen unter die Lupe, die etwa 60 Prozent des vorhandenen Gases verbrauchen. "Wir wollen wissen, was eine Entscheidung bei diesen Unternehmen auslöst. Dann können wir den Fernleitungsbetreibern eine Anweisung geben, welche Unternehmen abgeschaltet werden", erklärt Müller.

"Volatile" Verträge bei Gaseinkauf

Das Ziel sei jetzt, mehr Gas zu bekommen. Müller sagt: "Wenn es Deutschland noch in diesem Winter gelingt, zwei LNGs anzuschließen und einzubetten, hilft das richtig."

Das Problem: LNG-Terminals zur Verarbeitung von Flüssiggas werden auf dem freien Markt gemietet. Dazu schließen die meisten Staaten, vor allem in Asien, so genannte "volatile Verträge" ab, also unruhige Verträge. Die Lieferung eines LNGs in ein Land kann damit von einem anderen Land umgeleitet werden, wenn es mehr Geld bietet. Deutschland kann für LNGs mehr bezahlen, andere Länder werden das Nachsehen haben. "Das moralische Dilemma ist furchtbar", sagt Müller, "aber wir machen das in der Abwägung, was die Alternative wäre."

Doch es gibt eine Lösung, die das Dilemma abschwächen könnte. Müller: "Haushalte und Unternehmen müssen Gas einsparen. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Dazu brauchen wir Zeit. Und die erkaufen wir uns gerade."

Quelle: ntv.de

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