Politik

Aufstand im Warschauer Ghetto "Herr Steinmeier, Sie sprechen wie mein Onkel"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Der Bundespräsident beginnt seine Rede zunächst auf Jiddisch.

Der Bundespräsident beginnt seine Rede zunächst auf Jiddisch.

(Foto: IMAGO/newspix)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier darf als erstes deutsches Staatsoberhaupt am Ehrenmal der Helden des Aufstands im Warschauer Ghetto sprechen. Er findet richtige Worte - auch deswegen, weil er seine Rede nicht auf Deutsch beginnt.

Kaum ein anderer Ort steht so sehr für den jüdischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten wie das Warschauer Ghetto. Der 19. April 1943, der Tag, an dem der Aufstand der Jüdinnen und Juden unter Führung von Mordechaj Anielewicz im Warschauer Ghetto begann, hat bis heute eine unglaubliche Bedeutung. Auch deswegen, weil die Situation für die Menschen damals ausweglos und grausam war, sie sich aber trotzdem gegen die Terror-Herrschaft der Nazis auflehnten.

Bedeutend war es heute, 80 Jahre später, dass das erste deutsche Staatsoberhaupt am Ehrenmal des Warschauer Ghettos sprechen durfte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begann seine Rede zunächst auf Jiddisch und sagte wenig später: "Es ist schwer, heute hier, wo einst das Warschauer Ghetto war, zu Ihnen zu sprechen." Im Beisein des polnischen Präsidenten Duda und des israelischen Präsidenten Herzog führte Steinmeier aus, dass ihn die entsetzlichen Verbrechen der Deutschen mit "tiefer Scham" erfüllten: "Ich stehe heute vor Ihnen und bitte um Vergebung für die Verbrechen, die Deutsche hier begangen haben."

Die Überlebende Roma Ligocka, 1938 geboren, hörte der Rede von Frank-Walter Steinmeier genau zu. Ligocka überlebte als Kind das Ghetto in Krakau. Am Rande der Gedenkveranstaltung sagte sie gegenüber ntv.de: "Das war eine großartige Rede, das war eine historische Rede. Das habe ich Steinmeier auch gesagt. Er hat angefangen auf Jiddisch und da hat er mich gefragt, ob sein Jiddisch korrekt war und ich habe gesagt: Sie sprechen, wie mein Onkel. Das hat ihm sehr gut gefallen."

Eine Überlebende: Roma Ligocka spricht am Rande der Feierlichkeiten in Warschau mit Philipp Sandmann.

Eine Überlebende: Roma Ligocka spricht am Rande der Feierlichkeiten in Warschau mit Philipp Sandmann.

Dass die drei Präsidenten Duda, Steinmeier und Herzog diesen Tag zusammen bestritten haben und auch zusammen einen Kranz niederlegten, dürfe man nicht unterschätzen: "Die Tatsache, dass da der polnische, der deutsche und der israelische Präsident zusammenstanden, das ist ein historischer Tag, den ich lange nicht so erlebt habe", sagt Roma Ligocka.

"Der Widerstand war da"

Besonders wichtig ist es Ligocka, auch auf den jüdischen Widerstand gegen die Nazis hinzuweisen: "Ich merke das, wenn ich mit der Jugend aus Israel spreche, dass sie bis heute eine Art Scham oder Verlegenheit an den Tag legen, dass sie zu wenig gekämpft haben." Und sie sagt auch: "Die können sich nicht vorstellen, wie wenig man gegen so eine Macht damals hätte tun können." Zwar seien es nur einzelne mutige Kämpfer gewesen, die sich gegen den Terror aufgelehnt haben, aber: "Der Widerstand war da."

Auch Marian Turski, Holocaust-Überlebender und heute Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, hält eine Rede. Für Turski bedeutet das "Nie wieder!" unter anderem entschieden Nein gegen Antisemitismus und Rassismus zu sagen. "Menschen, seid nicht gleichgültig gegenüber dem Bösen! Menschen, seid wachsam", lautete seine eindringliche Mahnung.

Roma Ligocka sieht es ähnlich und richtet zum Schluss eine Botschaft an die jungen Menschen und die künftigen Generationen, deren Aufgabe es sein wird, zu erinnern: "Junge Menschen, geht zur Wahl, wählt anständige Leute und schaut, dass wir ein funktionierendes und zusammen vereintes Europa aufbauen."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen