Polizei bildet Sondereinheit Hochrangiger Geistlicher im Iran erschossen
03.11.2022, 19:54 Uhr
Die Demonstrationen haben schon Dutzende Opfer gefordert. Hier ein Bild von Ende Oktober.
(Foto: AP)
Seit Wochen gehen Iraner auf die Straße. In der Stadt Sahedan wird nun ein schiitischer Würdenträger erschossen. In Karadsch geraten Demonstranten und Sicherheitskräfte aneinander. "Wir kämpfen, wir sterben, wir ertragen keine Erniedrigung", erschallt auf den Straßen.
Im Iran ist in einem der Brennpunkte der regierungsfeindlichen Proteste ein hoher islamischer Würdenträger getötet worden. In der Stadt Sahedan sei das geistliche Oberhaupt einer schiitischen Moschee erschossen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Irna. "Eine Sondereinheit wurde gebildet, um die Täter zu identifizieren und zu verhaften", sagte der Polizeikommandant der Provinz Sistan-Balutschistan, Ahmad Tahern.
In Sahedan ist es mit zu den schwersten Zusammenstößen von Sicherheitskräften und Demonstranten in den vergangenen Wochen gekommen. Nach Angaben von Amnesty International töteten Sicherheitskräfte dort am 30. September mindestens 66 Menschen. Sahedan wird mehrheitlich von Sunniten geprägt, im Iran stellen aber Schiiten die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Ein hochrangiger sunnitischer Geistlicher hatte das Vorgehen gegen Demonstranten kritisiert und erklärt, Verantwortliche des Staates und das geistliche Oberhaupt Irans, Ajatollah Ali Chamenei, würden sich dafür vor Gott verantworten müssen.
"Wir kämpfen, wir sterben"
Auch in der Stadt Karadsch im Westen der Hauptstadt Teheran gerieten Demonstranten und Sicherheitskräften aneinander, wie Augenzeugen berichteten. Es gab Berichte über Verletzte auf beiden Seiten. Menschenmassen strömten auf die Straßen - mehrheitlich waren es Frauen. Immer wieder waren Rufe wie "wir kämpfen, wir sterben, wir ertragen keine Erniedrigung" zu hören, wie die Zeugen berichteten. Sicherheitskräfte sollen auf die Demonstranten geschossen und Tränengas eingesetzt haben. Einige setzten sich zur Wehr.
Anlass der Proteste an diesem Donnerstag war das Ende der 40-tägigen Trauerzeit nach dem Tod der jungen Iranerin Hadis Nadschafi. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Nadschafi ist inzwischen eine der Symbolfiguren der Proteste.
"Wenn man sieht, wie die Familie unter dem Tod der Tochter leidet, kommt einem die Wut hoch", sagte ein Augenzeuge am Rande der Demonstration. Für Aufsehen sorgte eine mutmaßliche Attacke auf einen Geistlichen. Die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, ein Kleriker sei während der Proteste angegriffen und verwundet worden. Ein Bild in den sozialen Medien soll den verletzten Geistlichen auf dem Rücksitz eines Autos zeigen.
Im Iran halten seit mehr als sechs Wochen die Massenproteste an. Mehr als 280 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern seither getötet, mehr als 14.000 verhaftet. Inzwischen haben sich die Proteste zu größten Herausforderungen für die geistliche Führung seit 1979 ausgewachsen. Damals wurde im Zuge der Islamischen Revolution der Schah gestürzt, und die Islamischen Republik wurde ausgerufen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts