Eingekesselte von Asowstal Hoher Geistlicher appelliert an Putin
10.05.2022, 13:51 Uhr
Seit Wochen unter Beschuss: das Stahlwerk in Mariupol.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Ihre Lage ist verzweifelt: Im Stahlwerk von Mariupol sollen noch Dutzende Zivilisten und Hunderte Kämpfer ausharren, viele von ihnen sind schwer verletzt. Nun wendet sich der ukrainische Geistliche Onufrij an Kremlchef Putin - und erinnert ihn an christliche Werte.
In einem neuen Appell hat der hohe ukrainische Geistliche Onufrij Kremlchef Wladimir Putin um eine Rettung der Menschen aus dem Stahlwerk der Hafenstadt Mariupol gebeten. Putin solle sich wie ein Christ verhalten und die eingekesselten Zivilisten, die Kämpfer und Sicherheitskräfte auf von der Ukraine kontrolliertes Gebiet oder in Drittstaaten fliehen lassen. Ein vom Kreml gewähltes Vermittlerland könne die Mission führen, sagte der Vorsteher der größten ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.
Der Geistliche bat Putin, der selbst der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats angehört, sich an seine Eltern zu erinnern, die einst in der von der deutschen Wehrmacht belagerten Stadt Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, um ihr Leben gekämpft hätten. "Die Bewohner von Mariupol und ihre Verteidiger sind heute auch in solch einer Lage", sagte Onufrij laut Medienberichten.
Nach ukrainischen Behördenangaben sollen in dem Stahlwerk noch rund 100 Zivilisten ausharren, viele Menschen hatten die Anlage zuletzt verlassen können. Zudem sollen sich dort nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben. Die Kämpfer hatten bisher Forderungen Putins abgelehnt, sich zu ergeben und die Waffen niederzulegen. Der russische Präsident hatte ihnen zugesichert, für diesen Fall auf eine Erstürmung der Industriezone zu verzichten.
Hunderte Verletzte noch im Stahlwerk
"Hunderte sind verletzt", sagte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Einige der Soldaten seien "schwer verletzt" und müssten "dringend" aus dem Stahlwerk herausgeholt werden, sagte Wereschtschuk. "Die Situation verschlimmert sich täglich."
Allerdings berichten die Kämpfer immer wieder von massivem Beschuss des Stahlwerks. Der frühere Kommandeur des Asow-Regiments, Maxim Schorin, teilte ukrainischen Medien zufolge mit, dass die diplomatischen Bemühungen um die Rettung der Kämpfer andauerten. Zugleich sagte er, dass auch ein Prozess laufe, um Mariupol mit einer Militäroperation von der russischen Blockade zu befreien. Dafür sei aber viel Zeit nötig. Und die Kämpfer dort hätten diese Zeit vielleicht nicht mehr.
Das Asow-Stahlwerk ist die letzte Bastion des ukrainischen Militärs im zerstörten Mariupol. In dem weitläufigen Industriekomplex mit vielen unterirdischen Anlagen hatten sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine über mehrere Wochen auch Hunderte Zivilisten verschanzt. Am Wochenende teilte Wereschtschuk nach einer Reihe von Evakuierungsaktionen dann mit, alle "Frauen, Kinder und älteren Zivilisten" seien aus dem Komplex herausgeholt worden.
Die Einnahme der südukrainischen Hafenstadt mit einst mehr als 400.000 Einwohnern wäre ein strategisch wichtiger Sieg für die russische Armee, da sie Russland die Herstellung einer direkten Landverbindung zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ermöglichen würde.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP