"Trauer über Cherson" ISW: Putin unter Druck - Dugin: "Sind loyal bis zum Ende"
14.11.2022, 16:07 Uhr (aktualisiert)
Alexander Dugin verlor im August bei einem Autobomben-Anschlag seine Tochter.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Russland muss Cherson aufgeben, ultranationalistische Kreise betrauern die Misserfolge. Analysten des Institute for the Study of War zitieren Aussagen des Ideologen Alexander Dugin, die ein Abrücken von Putin suggerieren. Dugin selbst sieht sich zur Klarstellung genötigt.
Die russischen Misserfolge in der Region Cherson setzen Präsident Wladimir Putin laut einer Analyse der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) innenpolitisch unter Druck. Der Rückzug habe zu einem ideologischen Bruch zwischen Kriegsbefürwortern und Putin geführt und untergrabe das Vertrauen in Putins Engagement und seine Fähigkeit, seine Kriegsversprechen zu erfüllen.
Die Autoren eines aktuellen Papiers schreiben, unter anderem der ultranationalistische Ideologe Alexander Dugin rücke offen von dem Kreml-Chef ab, weil dieser die russische Ideologie nicht aufrechterhalten habe. Die russische Ideologie definiere Dugin mit der Verantwortung für die Verteidigung "russischer Städte", wie es Cherson sei: "Die Grenze ist erreicht", Russland dürfe keine weiteren Gebiete aufgeben.
Das ISW zitiert Dugin-Aussagen, nach denen Putin als Autokrat - ein Begriff, der für Dugin eine positive Konnotation hat - die Verantwortung habe, seine Nation "ganz allein zu retten oder das Schicksal des 'Königs des Regens' zu erleiden". Damit spielt Dugin auf das Buch "The Golden Bough" von James George Frazer an, in dem ein König getötet wurde, weil er nicht in der Lage war, in einer Dürre Regen zu bringen.
"Niemand hat Putin seinen Rücken zugedreht"
Dugin reagierte bei Telegram auf Berichte über seine Aussagen und sprach von einer "Verwirrung in den Medien". In einer Nachricht schrieb er: "Niemand hat Putin seinen Rücken zugedreht, sowohl ich als auch andere russische Patrioten unterstützen ihn bedingungslos." Die Trauer über den Verlust von Cherson sei das eine, die Haltung gegenüber dem Oberbefehlshaber etwas anderes. "Wir sind loyal gegenüber Putin und unterstützen die Militäroperation bis zum Ende."
Das ISW macht schwindenden Rückhalt für Putin auch bei anderen Kriegsbefürwortern und Militärbloggern aus, auch wenn dieser normalerweise nicht offen zum Ausdruck komme. Dugins Aussagen könnten daher "auf einen Wandel unter den russischen nationalistischen Ideologen hindeuten". Auch Wagner-nahe Kanäle wenden sich laut ISW nach dem Verlust der Region Cherson gegen den Kreml. Einige Militärblogger dieser Fraktion stellten den Rückzug als "Ausverkauf" russischer Interessen dar. Dabei hätten viele von ihnen den Abzug zuvor befürwortet.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 13. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jog