Buschkowsky befürchtet Streit "Im Griff haben wir die Situation nicht"
01.10.2015, 12:41 Uhr
Heinz Buschkowsky verlangt, die Probleme, die auf Deutschland zukommen, offen zu benennen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Heinz Buschkowsky war fast 14 Jahre lang Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln. Der SPD-Politiker vertrat dabei in "seinem" Bezirk, in dem auch viele Bürger mit Migrationshintergrund leben, eine Linie von Fordern und Sanktionen auf der einen, Fördern und Bildung auf der anderen Seite. Bundesweit bekannt wurde Buschkowsky, als er erklärte: "Multikulti ist gescheitert".
n-tv: Wie können die Kommunen die vielen Menschen, die es jeden Tag zu versorgen gilt, verkraften?
Heinz Buschkowsky: Aus dem Stand natürlich überhaupt nicht. Wer ist denn schon auf solche Mengen eingerichtet? Berlin hat es nicht einmal geschafft, Menschen, die im Sommer bei 30 Grad auf ihre Registrierung gewartet haben, mit einer Flasche Wasser zu versorgen. Da ist wirklich alles gefordert. In Hamburg will man jetzt sogar beschlagnahmen. So richtig rund läuft es noch nicht. Im Griff haben wir die Situation nicht und man muss sich ja auch mal vorstellen: Jeden Tag stehen zehntausend Menschen vor Ihnen und sagen: Nun mach was mit mir.
Alle sprechen ja von schneller Integration. Ist das zu schaffen?
Integration heißt Sprache, Wohnung, Job. Sprache geht nur durch Erlernen. Da machen die Schweden 24 Monate Kurse, um das zu schaffen. Damit erreichen sie 50 Prozent Menschen im Job hinterher. Wohnungen müssen wir bauen, dauert mindestens zwei Jahre. Das ist alles von heute auf morgen nicht gemacht. Und zum Job gehört auch eine Grundqualifikation, die ganz viele Flüchtlinge nicht mitbringen. Sie sind Analphabeten, sie sind notalphabetisiert und da ist das nicht so einfach, wie Herr Zetsche von Daimler sagt, wir schicken da mal unsere Personalberater hin und dann holen wir die zu Daimler und da können sie dann schrauben. Das wünschen sich viele, einen Job bei Daimler zu kriegen.
Die Bundesregierung und auch viele Bürger sind stolz auf die Willkommenskultur in Deutschland. Ist es der richtige Kurs, den Kanzlerin Angela Merkel eingeschlagen hat?
La Ola wird verblassen und der graue Alltag der Integration wird kommen. Das heißt, erst einmal müssen wir die, die keine Bleibeperspektive haben, in ihre Heimat zurückführen. Das passiert bisher nicht. Alle Sprüche, die da gekloppt werden, sind ein Placebo. Das Zweite ist: Vielleicht in zehn Jahren werden wir sehen, ob das wirklich die Basis für ein zweites Wirtschaftswunder in Deutschland ist, wie es aus der Wirtschaft klingt. Ich halte das für Quatsch. Wir werden dann sehen, ob das Geschichtsbuch schreibt, es war 2015 eine Bescherung oder es hat jemand etwas angerichtet. Ich glaube, dass die Kanzlerin da in etwas hineingerutscht ist, was sie nicht überblickt hat und von der Birke kommt sie jetzt nicht wieder runter.
Jeden Tag kommen 10.000 Menschen. Wie lange können wir das aushalten? Oder anders: Wie könnte man denn den Zustrom stoppen?
Deutschland ist ein starkes Land, Deutschland hat eine Bevölkerung, die sehr hilfsbereit ist. Aber über Jahre … Die EU prognostiziert für die nächsten drei Jahre fünf Millionen neue Flüchtlinge. Ich glaube, dann wird es zu schweren Spannungen im sozialen Frieden kommen.
Mit Heinz Buschkowsky sprach Christian Wilp
Quelle: ntv.de