In das System "eingesickert" In Berlin regiert jetzt auch die AfD
20.03.2017, 20:18 Uhr
Wegen Franz Josef Strauss sei er damals in die CSU eingetreten. Jetzt ist Andreas Otti als Neu-Berliner bei der AfD.
(Foto: dpa)
Seit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin sitzen Vertreter der AfD auch in allen zwölf Bezirksparlamenten. Soweit läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Stadträten unauffällig. Allerdings fühlt sich der ein oder andere AfDler trotzdem unfair behandelt.
Franz Josef Strauß schaut ernst. Was würde der einstige CSU-Übervater wohl dazu sagen, dass sein Konterfei die Wand ausgerechnet dieses ansonsten eher schmucklosen Büros im Bezirksamt Berlin-Spandau ziert? Unter dem Bild steht der Schreibtisch von Andreas Otti, dem Bezirksstadtrat für Liegenschaftsmanagement, Umwelt- und Naturschutz.
"Strauß war mein politisches Vorbild", sagt der 48-Jährige. "Seinetwegen bin ich in die CSU eingetreten." Inzwischen ist Otti nicht mehr in Bayern in der CSU, sondern als Neu-Berliner in der AfD. In der Hauptstadt gehört er zu der Handvoll gewählter AfD-Politiker, die auf kommunaler Ebene mitregieren - ein bundesweites Novum.
Bei der Wahl am 18. September schaffte die AfD nicht nur den Sprung ins Abgeordnetenhaus, sondern auch in alle zwölf Bezirksparlamente. In sieben Bezirken vom Ausmaß mittlerer Großstädte stellt sie je einen von vier Stadträten. Das sind Kommunalpolitiker, die im Bezirksamt exekutive Funktionen vergleichbar derer von Bürgermeistern haben, Verantwortung für viele Mitarbeiter und Millionenetats tragen.
"Die AfD ist auf kommunaler Ebene als Entscheider in das Regierungssystem eingesickert", sagt der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler. Gewählt werden die Stadträte von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). "Gewählt wurden eher mehrheitsfähige Kandidaten, weil man im Bezirksamt als kollegialem Gremium zusammenarbeiten muss", analysiert Politologe Bröchler von der Humboldt-Universität.
Aufgaben unfair verteilt
"Was auffällt ist, dass die fraglichen Stadträte keine strategischen Aufgaben haben." Der Zuschnitt der Ressorts wird von den Parteien in einem wenig transparenten Verfahren festgelegt. Manche Strategen halten Naturschutz, Gesundheit, Ordnungsangelegenheiten oder Bürgerdienste, um die sich nun AfD-Politiker kümmern, für weniger bedeutsam als Finanzen oder Personal.
Auch AfD-Sprecher Ronald Gläser sieht solche Ansätze: So sei der AfD-Stadtrat in Lichtenberg, Ex-BND-Mitarbeiter Frank Elischewski, zum "Frühstücksdirektor disqualifiziert" worden. "Er ist für das Abschleppen nicht mehr zugelassener Pkws zuständig." Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), hält dagegen.
"Es gibt keine "unwichtigen" Ämter." In seinem Bezirk sei alles fair aufgeteilt worden. "Warum sollten sich die AfD-Stadträte mit "kleinen" Ämtern langweilen und nichts zu tun bekommen, die Freizeit genießen, während andere Stadträte Doppelarbeit leisten sollen?"
Und: "Die Zusammenarbeit läuft an der Sache orientiert und nicht besonders auffällig." Schließlich hätten alle Mitglieder des Bezirksamts den Eid geleistet, die Gesetze umzusetzen. Auch Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD schätzt das so ein. "Bislang gibt es keine Probleme", sagt sie. "Die gewählten AfD-Leute müssen jetzt beweisen, ob sie der Verantwortung gewachsen sind."
Quelle: ntv.de, Stefan Kruse, dpa