Politik

Ethnische Säuberungen im Sudan In Darfur gibt es Anzeichen für einen weiteren Völkermord

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Viele Sudanesen sind in das Nachbarland Tschad geflohen - hier ein Flüchtlingslager nahe der Grenze zum Sudan.

Viele Sudanesen sind in das Nachbarland Tschad geflohen - hier ein Flüchtlingslager nahe der Grenze zum Sudan.

(Foto: picture alliance / AA)

In Sudans Hauptstadt Khartum wechseln sich Waffenruhen und schwere Kämpfe ab. Weniger im Fokus steht die sudanesische Region Darfur. Dort befürchten die Vereinten Nationen, dass ethnische Säuberungen begonnen haben.

Die Vereinten Nationen warnen vor einem drohenden Völkermord in der Region Darfur, im Westen des großen Landes. "Es zeichnet sich ein Muster groß angelegter gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer ethnischen Identität ab", erklärte der Chef der UN-Friedensmission im Sudan (UNITAMIS), Volker Perthes.

Die Übergriffe in Darfur werden nach UN-Angaben von arabischen Milizen und bewaffneten Männern in der Uniform der Rapid Support Force (RSF) begangen - jener Miliz, die auch in anderen Landesteilen seit April gegen die Armee kämpft. Die Berichte aus Darfur seien, so Perthes, "zutiefst besorgniserregend und könnten, wenn sie bestätigt werden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen."

"Die Teufel auf Pferden"

Die Region Darfur im Westen Sudans ist schon seit Jahrzehnten ein Konfliktherd. In der abgelegenen, bergigen Region leben verschiedene Volksgruppen, die sich nicht der Herrschaft der arabischen Elite in der entfernten Hauptstadt Khartum unterstellen wollten. Sie formierten Widerstandsgruppen, die sich gegen die Zentralgewalt auflehnten. Um die Kontrolle über das Gebiet Darfur - immerhin so groß wie Spanien - nicht zu verlieren, hatte Sudans Ex-Diktator Omar al Baschir in den frühen Nullerjahren bewaffnete Reitermilizen aus Darfur in seine Dienste gestellt, worüber er indirekt die Herrschaft ausüben wollte. Sie wurden in der lokalen Sprache als "Dschandschaweed" bezeichnet, übersetzt: die Teufel auf Pferden.

Die Dschandschaweed galten lange Zeit als die brutalste Miliz Afrikas. Um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen, gingen sie gezielt gegen Zivilisten vor. Es kam zu Angriffen auf Dörfer, zu Plünderungen und dem organisierten Einsatz sexueller Gewalt. Millionen Menschen wurden vertrieben. Internationale Menschenrechtsorganisationen sprachen sogar von einem gezielten Völkermord und wandten sich an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dieser erließ 2009 den ersten Haftbefehl gegen Sudans damaligen Präsidenten Baschir. Der Vorwurf: Völkermord in Darfur.

Anführer dieser Reitermilizen war General Mohammed Hamdan Daglo, besser bekannt unter seinem Kriegsnamen Hemedti. Als die einzelnen Milizen 2003 in den sogenannten Rapid Support Forces (RSF) reorganisiert wurden, wurde Hemedti ihr Kommandant. Damit stieg er in der Hierarchie der sudanesischen Streitkräfte auf. Heute führt er mit seinen rund 15.000 Soldaten seiner RSF-Miliz überall im Land Krieg gegen die reguläre Armee.

Gouverneur von West-Darfur wurde entführt und ermordet

In Hamedtis Heimatregion Darfur wütet die RSF derzeit offenbar besonders brutal. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR meldet allein 115.000 Menschen, die sich aus der Provinz West-Darfur über die Grenze in den Tschad gerettet haben, viele mit brutalen Verletzungen. Geflüchtete aus Darfur, die es über die Grenze geschafft haben, berichten in örtlichen Medien, dass auf sie während der Flucht geschossen worden sei, sie hätten unzählige Leichen von Zivilisten auf den Fluchtwegen am Straßenrand gesehen. Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bestätigt, dass in den vergangenen Tagen allein rund 15.000 Menschen aus West-Darfur geflohen seien, sie hätten unzählige davon mit Schussverletzungen behandeln müssen.

Khamis Abakar, Gouverneur von West-Darfur, hatte vor wenigen Tagen in einem Interview vor einem möglichen Völkermord gewarnt, der von der RSF begangen würde. Kurz darauf wurde er von RSF-Kämpfern aus dem Gouverneursgebäude in der Bezirkshauptstadt El-Geneina entführt und ermordet. Die RSF verneint in einer Erklärung die Tötung des Gouverneurs.

Die UN-Mission im Sudan (UNITAMIS) zeigte sich "entsetzt und zutiefst schockiert" über die Ermordung Abakars und nennt in ihrer Erklärung die RSF als Täter und fordert, "dass die Täter rasch vor Gericht gestellt werden und der Teufelskreis der Gewalt in der Region nicht weiter ausgeweitet wird", so die UN-Erklärung. Die UN warnen nun die Konfliktparteien indirekt mit weiteren Ermittlungen durch den Internationalen Strafgerichtshof: "Die in diesem Konflikt begangenen Verbrechen und Verstöße werden nicht ignoriert."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen