Europaweite Bargeld-Obergrenze Innenministerin Faeser sagt organisierter Kriminalität den Kampf an
16.11.2022, 16:15 Uhr
"Wir sehen eine wachsende Gefahr, dass bewaffnete Auseinandersetzungen sich auch gegen Vertreter des Staates richten."
(Foto: picture alliance/dpa)
2021 habe der durch organisiertes Verbrechen verursachte finanzielle Schaden in Deutschland erstmals die Milliardengrenze geknackt. Innenministerin Faeser reagiert mit einer neuen Strategie. Mit Sorge blickt sie auf die bedrohlichen Zustände in den europäischen Nachbarländern.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will den Kampf gegen die organisierte Kriminalität verstärken. Bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts präsentierte die SPD-Politikerin ihren Plan. Ziel müsse es sein, "kriminelle Strukturen nachhaltig zu zerschlagen und inkriminierte Gewinne konsequent abzuschöpfen", heißt es in dem Strategiepapier zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Zu den Vorschlägen des Ministeriums zählen eine Obergrenze von 10.000 Euro für Bargeldzahlungen, eine Transparenzpflicht für Inhaber verdächtiger Vermögenswerte und die Einführung eines bundesweiten Lagebilds zur Clankriminalität.
Der Staat dürfe sich bei der Verfolgung der organisierten Kriminalität keine Schwäche leisten, erklärte Faeser. "Menschenhandel, Drogenhandel, Geldwäsche - alle Bereiche des Organisierten Verbrechens haben eines gemeinsam: das skrupellose Streben der Täter nach Gewinn und Macht", warnte sie. Der festgestellte finanzielle Schaden im Bereich der organisierten Kriminalität habe 2021 erstmalig die Milliardengrenze überschritten.
Warnende Beispiele aus Nachbarländern
Abgesehen vom finanziellen Schaden bereitet dem Ministerium vor allem eine zunehmende Gewaltbereitschaft Sorge. "Wir sehen eine wachsende Gefahr, dass bewaffnete Auseinandersetzungen sich auch gegen Vertreter des Staates richten", warnte Faeser. Europäische Länder wie die Niederlande und Schweden hätten hier bereits "schmerzliche Erfahrungen" gemacht. "Solche Entwicklungen, wo Staatsanwälte, Richter und Journalisten massiv bedroht werden, werden wir in Deutschland nicht zulassen", erklärte die Innenministerin.
Mit ihrer Strategie zielt Faeser auf drei Kernbereiche: den Ausbau der Ermittlungs- und Analysefähigkeiten des BKA, effektive Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung und eine noch engere Zusammenarbeit auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Dafür sollen die Sicherheitsbehörden personell und finanziell "deutlich verstärkt" werden.
Europaweite Bargeld-Obergrenze
Die geplante Einführung einer Bargeld-Obergrenze von 10.000 Euro hatte die Ministerin bereits kürzlich angekündigt. Die Grenze verringere "die Gefahr, die Herkunft großer Vermögenswerte zu verschleiern, indem große Transaktionen auf nachvollziehbaren Finanzwegen erfolgen". Die Obergrenze solle europaweit eingeführt werden. In einigen EU-Ländern gebe es bereits derartige Grenzen, ergänzte ein Ministeriumssprecher.
Das Innenministerium plant zudem Maßnahmen, um die Zuordnung - und den möglichen Einzug - von Vermögenswerten zu erleichtern, die auf Einnahmen aus der organisierten Kriminalität beruhen. Das Ministerium setze sich dafür ein, "dass die zuständigen staatlichen Stellen von formellen Inhaberinnen und Inhabern von Vermögenswerten mit verdächtiger Herkunft Auskunft darüber verlangen können, aus welcher Quelle die Vermögenswerte stammen und wer darüber die faktische Kontrolle ausübt", heißt es in dem Papier.
Dies gelte insbesondere auch für den Immobilienbereich, in den mutmaßlich große Summen aus der organisierten Kriminalität fließen. Erstmals soll deshalb ein bundesweites zentrales Gebäude- und Wohnungsregister eingerichtet werden, das Informationen zu den Immobilien sammelt und den Behörden zugänglich macht.
"Allianz gegen Clankriminalität"
Im Kampf gegen die Clankriminalität sollen Bund und Länder dem Strategiepapier zufolge ihre Kräfte bündeln, erstmals solle auch ein bundesweites Lagebild erstellt werden, um einen Überblick über das Phänomen zu bekommen. Faeser sprach in diesem Zusammenhang von einer "Allianz gegen Clankriminalität".
Kennzeichnend für die Clankriminalität sei ein "hoher Abschottungsgrad durch die von ethnischer Zugehörigkeit geprägten Familienstrukturen, ihr hohes Mobilisierungs- und Aggressivitätspotenzial sowie eine praktizierte Paralleljustiz, die den staatlichen Strafverfolgungsanspruch negiert und den Rechtsstaat in Frage stellt", heißt es in dem Papier. "Wir lassen jedoch keine abgeschotteten Parallelgesellschaften zu."
Aus dem Bundestag kam Unterstützung für Faesers Strategie. Die Ministerin habe mit ihrem Papier ein "eindeutiges Signal in das organisierte Verbrechen gesendet", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Das Gebaren von Gruppierungen der organisierten Kriminalität "werden wir mit größter Entschlossenheit bekämpfen".
Quelle: ntv.de, mne/AFP