Biden ordnet Militärhilfe an Iran feuert rund 180 Geschosse auf Israel ab - ein Toter
01.10.2024, 18:40 Uhr
Abfangraketen der israelischen Luftabwehr fangen iranische Marschflugkörper über der Stadt Aschkelon ab.
(Foto: REUTERS)
Am frühen Abend warnen die israelischen Behörden vor einem drohenden Angriff des Iran. Wenig später feuert Teheran tatsächlich Raketen ab. In Israel sind starke Explosionen zu hören. US-Präsident Biden ordnet den Abschuss iranischer Marschflugkörper an. Israel droht mit einem Gegenschlag.
Der Iran hat Israel mit zahlreichen Raketen angegriffen. Rund 180 Geschosse wurden nach ersten Schätzungen der israelischen Armee am Dienstagabend abgefeuert. Die meisten seien von Israel und einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen worden, hieß es vom israelischen Militär. Ein Todesopfer gab es im Westjordanland und zwei Verletzte in Tel Aviv. Nach Abschuss einer zweiten Welle stellte der Iran das Feuer ein, Israel gab vorerst Entwarnung.
Laut Armeesprecher Daniel Hagari gab es bei dem Raketenangriff eine kleine Zahl von Einschlägen im Zentrum und im Süden Israels. In den Städten und auch seitens des Militärs wurden bis zum späten Abend keine größeren Schäden gemeldet. "Dieser Angriff wird Konsequenzen haben", warnte Hagari. Dafür gebe es schon Pläne.
Zur Raketenabwehr setzten die USA nach eigenen Angaben Kriegsschiffe ein. US-Präsident Joe Biden hatte das US-Militär angewiesen, Israel zu unterstützen und iranische Raketen abzuschießen. Bei dem Raketenangriff kam palästinensischen Angaben zufolge ein Mann im Westjordanland ums Leben. Der 38-jährige Palästinenser sei in Jericho durch Raketensplitter getötet worden, teilten der palästinensische Zivilschutz und örtliche Medien mit. Der Getötete kam demnach ursprünglich aus dem Gazastreifen.
Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, die Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen.
Terroranschlag in Tel Aviv kurz vor Angriff
Millionen Menschen in Israel suchten während des Angriffs Zuflucht in Schutzräumen. In einem Bunker unterhalb eines Einkaufszentrums im Zentrum von Tel Aviv versammelten sich Dutzende Menschen. Eine Frau reagierte panisch auf die Geräusche von Explosionen, die auch in den unterirdischen Räumen zu hören waren. Viele Menschen lasen oder hörten Nachrichten, bis es nach rund einer Stunde Entwarnung gab und sie den Bunker wieder verlassen durften.
In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv wurden zwei Menschen bei dem Angriff durch Granatsplitter leicht verletzt, wie der Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte. Mehrere andere wurden demnach wegen leichter Verletzungen nach einem Sturz oder wegen akuter Angstzustände behandelt.
Kurz vor dem Raketenangriff wurden im Süden von Tel Aviv bei einem Schuss- und Messerangriff mehrere Menschen getötet. Laut Polizei kamen mindestens sechs Menschen bei der Attacke in Jaffa, einem arabisch geprägten Viertel, ums Leben. Bei den Todesopfern handelt es sich demnach um Zivilisten.
Die Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden hatten nach eigener Darstellung auf wichtige militärische Ziele in Israel gefeuert. Gleichzeitig drohten die Revolutionsgarden mit weiteren, "vernichtenden und zerstörerischen Angriffen", sollte Israel auf den iranischen Schlag reagieren.
USA warnten vorab
Die US-Regierung hatte kurz vor der Attacke vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Raketenangriff des Irans auf Israel gewarnt. Wenig später hatten die israelischen Behörden die Menschen im Großraum Tel Aviv angewiesen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.
Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die davor bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Syrien getötet worden waren.
Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am vergangenen Freitag wurde mit Nasrallah, dem Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.
Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagerte sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Die Armee sprach von "begrenzten" Angriffen in Grenznähe auf Ziele der schiitischen Hisbollah, die eng mit dem Iran verbündet ist.
Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.
Quelle: ntv.de, jpe/jog/AFP/dpa