Muslima muss zum Schwimmunterricht Islamverbände begrüßen Straßburger Urteil
11.01.2017, 15:16 Uhr
Der Islamwissenschaftler Ourghi bezeichnet die strikte Trennung der Geschlechter als "historisches Produkt der männlichen Herrschaft". Theologisch lasse sich dies nicht begründen.
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Der Gerichtshof für Menschenrechte widerspricht einem Schweizer Paar, dass seine muslimische Tochter aus Glaubensgründen vom gemischten Schwimmunterricht fernhalten will. Islamverbände halten das Urteil für ein richtiges Signal.
Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum gemischten Schwimmunterricht für junge muslimische Mädchen grundsätzlich begrüßt. Das Urteil sei ein "angemessener Kompromiss", sagte er der "Heilbronner Stimme". Mazyek sieht Parallelen zur bisherigen Rechtsprechung in Deutschland.
Das Zulassen von Ganzkörperanzügen (Burkinis) ermögliche es Mädchen ab der Pubertät, islamische Bekleidungsgebote einzuhalten, sagte Mazyek. "Ich rechne damit, dass es nur bei einer Minderheit der Muslime in Deutschland eine abweichende Meinung dazu gibt", erklärte der Verbandsvorsitzende.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte in einem Schweizer Fall entschieden, dass muslimische Schülerinnen grundsätzlich zur Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen verpflichtet werden können. Das staatliche Interesse, ausländische Schüler zu integrieren und ihnen die heimischen Gebräuche und Werte zu vermitteln, habe Vorrang vor dem Wunsch der Eltern, die Kinder aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht auszuschließen, urteilten die Richter (AZ: 29086/12).
Koran verbietet gemeinsamen Unterricht nicht
Der liberale Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi bezeichnete das Urteil als "richtig". Die Pflicht zur Teilnahme könne verhindern, dass muslimische Mädchen von ihren Familien von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, sagte er der "Heilbronner Stimme". Weder im Koran noch in den Überlieferungen Mohammeds gebe es einen klaren Hinweis darauf, der einen gemeinsamen Unterricht verbiete.
Ourghi bezeichnete Kleidervorschriften und die strikte Trennung der Geschlechter als "historisches Produkt der männlichen Herrschaft". Theologisch lasse sich dies nicht begründen.
Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt sagte der "Bild": "Ich begrüße das eindeutige Urteil, da es klarstellt, dass die Verpflichtung muslimischer Mädchen zur Teilnahme am Schwimmunterricht nicht gegen die Religionsfreiheit aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt." Die Entscheidung sei auch "ein wichtiges Signal, dass Religionsfreiheit nicht pauschal andere Rechte und Pflichten aushebelt".
Quelle: ntv.de, bdk/epd