Erste Krise überstanden Israel will Gaza-Waffenruhe wieder einhalten
19.10.2025, 23:28 Uhr Artikel anhören
44 Menschen sollen bei den Angriffen im Gazastreifen ums Leben gekommen sein. Zuvor waren zwei israelische Soldaten getötet worden.
(Foto: IMAGO/Agencia EFE)
Nach Angriffen auf israelische Soldaten im Gazastreifen nimmt die Luftwaffe im Laufe des Tages mehrere Hamas-Ziele ins Visier. Die Islamisten sagen, sie sähen sich weiter an die Waffenruhe gebunden. Auch Israel will die Vereinbarung jetzt wieder befolgen.
Die mühsam ausgehandelte Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas hat ihre erste schwere Belastungsprobe überstanden. Israel teilte nach Luftangriffen mit, es wolle sich nun wieder an die Vereinbarung halten: Auf Anweisung der politischen Führung und nach einer Reihe schwerer Angriffe als Reaktion auf die Verstöße der islamistischen Hamas habe die Armee "mit der erneuten Durchsetzung der Waffenruhe begonnen", hieß es am Abend in einer auf Telegram verbreiteten Mitteilung.
Zugleich warnte das Militär, es werde auf jeden Verstoß entschieden reagieren. Zuvor waren bei einem Angriff auf israelische Truppen im Süden des Gazastreifens nach Angaben der Armee zwei Soldaten getötet worden. Daraufhin bombardierte die Luftwaffe nach Medienberichten Dutzende Ziele in dem Küstenstreifen.
Nach Angaben mehrerer Krankenhäuser wurden bei verschiedenen Angriffen im Laufe des Tages 44 Palästinenser getötet. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa waren unter den Toten auch ein Journalist und ein Kind.
Angriff hinter der "gelben Linie"
Die Armee hatte am Sonntagvormittag mitgeteilt, Soldaten seien im Süden des Gazastreifens unter anderem mit einer Panzerfaust beschossen worden. Im Norden des Gazastreifens hätten sich Bewaffnete israelischen Soldaten genähert und seien erschossen worden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte daraufhin die neuen Angriffe auf Hamas-Ziele angeordnet.
Der militärische Hamas-Arm wies jedoch jegliche Verantwortung für die Angriffe auf israelische Soldaten zurück. "Wir bekräftigen unsere vollständige Verpflichtung, alles umzusetzen, was vereinbart wurde", hieß es in einer Mitteilung der Kassam-Brigaden. Dies gelte vor allem für die Waffenruhe in allen Gebieten des Gazastreifens. Die Angriffe ereigneten sich nach Angaben des Militärs in einem von Israel kontrollierten Gebiet östlich der "gelben Linie". Hinter diese hatte die Armee sich als Teil der vereinbarten Waffenruhe zurückgezogen.
Isat al-Rischek, Mitglied des Hamas-Politbüros, warf Israel in einer Mitteilung vor, gegen die Waffenruhe zu verstoßen und "fadenscheinige Vorwände" zu fabrizieren, "um seine Verbrechen zu rechtfertigen". Er beschuldigte Netanjahu, dieser wolle sich vor seinen Verpflichtungen gegenüber den Vermittlern drücken, weil er unter Druck rechtsextremer Koalitionspartner stehe.
Neue Gespräche in Ägypten
Am Abend teilte die Hamas dann mit, ihre Unterhändler seien zu weiteren Gesprächen in Ägypten eingetroffen. Die Delegation unter Leitung des Auslandschefs der Organisation, Chalil al-Haja, solle mit den Vermittlern und palästinensischen Gruppen über die weitere Umsetzung der Waffenruhe sprechen, schrieb die Organisation auf ihrer Internetseite.
Bisher waren in dem Konflikt neben den USA vor allem auch Ägypten, Katar und die Türkei als Vermittler tätig. Diese Woche werden auch US-Vizepräsident JD Vance sowie die US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner in Israel erwartet. Ob sie auch nach Ägypten reisen werden, ist noch nicht klar.
Die seit dem 10. Oktober geltende Waffenruhe ist Teil eines Friedensplans von US-Präsident Donald Trump. Israel und die Hamas hatten sich dabei auch auf den Austausch von Geiseln und Gefangenen und einen teilweisen Rückzug der israelischen Truppen im Gazastreifen geeinigt.
Leichen von zwei weiteren Hamas-Geiseln identifiziert
Am Samstagabend hatte die Hamas in Übereinstimmung mit der Vereinbarung die Leichen von zwei weiteren Geiseln übergeben. Das Forum der Geiselfamilien teilte mit, es handele sich um den israelischen Fotografen Ronen Engel aus dem Kibbuz Nir Oz sowie um einen Landwirtschaftsarbeiter aus Thailand, der acht Jahre lang in Israel gearbeitet habe.
Engel, ein 54-jähriger Vater von drei Kindern, war während des Hamas-Massakers im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 getötet worden. Seine Leiche wurde in den Gazastreifen verschleppt. Seine Frau und zwei seiner Kinder waren ebenfalls entführt worden, aber während einer Waffenruhe im Gegenzug für palästinensische Häftlinge wieder freigelassen worden. Der Thailänder wurde den Angaben zufolge ebenfalls am Tag des Massakers getötet und aus dem Kibbuz Beeri verschleppt.
Damit verbleiben noch 16 getötete Geiseln im Gazastreifen. Israel wirft der Hamas absichtliche Verzögerung vor. Die Terrororganisation beruft sich dagegen darauf, dass es für sie schwierig sei, die Leichen zu finden, weil sie unter den Trümmern bombardierter Gebäude und Tunnel verschüttet seien. Die Kassam-Brigaden teilten mit, es sei die Leiche einer weiteren Geisel gefunden worden. Sie warnten, neue Angriffe Israels könnten die Bemühungen um die Bergung weiterer sterblicher Überreste gefährden.
Quelle: ntv.de, Sara Lemel, dpa